21. MÄRZ 2008

ALLEN LESERN EIN FROHES OSTERFEST!



13. MÄRZ 2008

Donnerstag, den 13. März 2008

Aus der für heute geplanten MRT wurde leider nichts. Heidi hat sich irgendeine Infektion zugezogen und heute Nacht bekam sie hohes Fieber. Obwohl sie heute Morgen kein Fieber hatte, wollten die Ärzte sie trotzdem nicht in Narkose versetzen. Atemwege und Lunge werden bei einer Narkose sowieso gereizt und dann könnte es zu einer Lungenentzündung kommen. Unnötig, so ein Risiko einzugehen.
Heidi war in den vergangenen Tagen wegen der bevorstehenden Nadel im Port sehr unruhig und ängstlich und als wir heute unverrichteter Dinge wieder nach Hause fahren durften, war sie recht glücklich. Auch wenn sie die Nadel stattdessen an einem anderen Tag bekommen wird, war es schön, ihr heute zu entkommen. Arme Maus...

Auf dem Foto sieht man eine zufriedene Heidi, als sie hört, dass sie noch ganze 21 Mal schlafen muss, bis es wieder so weit ist.




4. MÄRZ 2008

Dienstag, den 4. März 2008
Voriges Wochenende, als Wind und Regen wieder mal wie wild ums Haus fegten, sagte Heidi zu uns: "Schönes Wetter. Ich hab' doch gesagt, dass wir auf Lanzarote bleiben sollen. Dann wäre uns das erspart geblieben." Wie wahr...
Na ja, wir hatten jedenfalls eine herrliche Woche mit angenehmen Temperaturen und wunderschönem Sonnenschein. Heidi hat viel gebadet und war somit überglücklich. Was brauchen wir mehr.
Nächsten Donnerstag ist MRT und mit jedem Tag zieht es uns den Magen mehr und mehr zusammen. Warum vergeht die Zeit nur so schnell?



Am 14. Februar im Flieger nach Lanzarote: 5 1/2 Stunden sind eine lange Reise...



Costa Teguise. Bungyjump war das Zweitbeste hier! Am besten war natürlich...



...der Strand, das Meer und der Pool.







Und nicht zu vergessen: Abends Minidisco. Jippi!
(Heidi hier im weissen Kleid mit grünen Blumen.)

18 JANUAR 2008

Freitag, den 18. Januar 2008

Nachträglich noch allen Lesern ein gutes neues Jahr! Und hier ein bisschen etwas Neues von uns.

Heute waren wir zum Impfen. Die harte Chemo kann durchaus bewirkt haben, dass der Impfschutz nicht mehr besteht, den Heidi als kleines Mädchen erhalten hat. Darum werden die wichtigen Grundimpfungen wiederholt. Heidi war nicht gerade begeistert, dass man sie in den Oberschenkel pieksen würde, aber es ging ziemlich gut. Hinterher war sie recht stolz und hob mehrere Male hervor, dass sie nicht so gekämpft und geschrien hat, wie sie es macht, wenn sie die Nadel in ihren Port kriegt.


Es fühlt sich ja nun eigentlich schon ein bisschen lange her an, aber ein paar Zeilen über Weihnachten muss ich schon schreiben. Eine weisse Weihnacht, übrigens. Es gibt nichts Schöneres. Die Fahrt nach Erfurt ging super, auch wenn Heidi die 10 Stunden sehr langweilig fand. Aber kaum angekommen, war das auch schon vergessen. Schliesslich war diese Reise von grosser Bedeutung für unser kleines "Will-so-sein-wie-alle-anderen"-Mäuschen. Endlich durfte sie wieder Oma, Opa, Tante, Cousin und Cousine usw. besuchen. Darüber wird ja im Kindergarten geredet und Heidi findet es gar nicht schön, nicht mitreden zu können.  
Zu unser vollständigen Verwunderung begann sie auch gleich deutsch zu sprechen. Aber einfach war das nicht. Heidi musste sich riesig anstrengen. Zwar hat sie durch ihr stundenlanges Fernsehgucken der deutschen Kinderprogramme einen gut entwickelten Wortschatz, aber gesprochen hat sie bisher kaum. Aber nun legte sie einfach los und bekam es richtig prima hin. Es machte so einen Spass, sie deutsch plappern zu hören.





Letzte Nacht mit Nuckis - wie soll das bloss gehen?


Abgesehen davon, dass der Weihnachtsmann eine völlig verückte Frisur trug, sprach er zu Heidis grossem Erstaunen auch noch deutsch. Das war ja wirklich ein aussergewöhnlicher Weihnachtsmann. Im allgemeinem Chaos des Heiligabends vergassen wir dann dummerweise, ihm Heidis Nuckis zu überreichen. Aber als sie dann zu Bett gehen wollte, waren alle ihre Nuckis doch weg. Was für ein Weihnachtsmann!




Der Weihnachtsmann mit den vier Kindern Thomas, Heidi, Christin och Tim


Das Leben oder besser gesagt, die Nächte ohne Nuckis laufen ausgezeichnet. Die ersten beiden Abende waren zweifelsohne etwas schwer, aber Heidi unterdrückte ihr Verlangen und erklärte, dass es nun an der Zeit sei, erwachsen zu werden. Seit dem hat sie nicht einen Piep über Nuckis von sich gegeben.



Am Silvesterabend hielten wir eine nette Party, mit stattlicher Tafel voller Gold und Silber. Um Mitternacht schossen wir einige mit Namensschildern versehene Raketen an den Himmel. Einen Gruss an unseren Freund Robban, einen an alle Kinder, die Englein geworden sind, einen an Opa Berndt und schliesslich einen Gruss an die Mama von Heidis heimlicher Freundin, auch sie laut Heidi im Himmel... Wir denken an Euch, sagte die grün, gold und lila glitzernde Sternenpracht.

Am ersten Tag des neuen Jahres stand Heidi zum ersten Mal auf Schlittschuhen. Einige Meter schafft sie nun. Schwer aber es macht Spass, findet Heidi.



Es war schön, zu Hause zu sein und einen richtig Ruhigen zu schieben, aber Heidi bekam dann grosse Sehnsucht nach ihren Freunden und dem Alltag im Kindergarten.


Wir geniessen nach wie vor jeden normalen Tag. Es ist so wunderbar, nicht in die Klinik zu müssen, hören wir uns hin und wieder sagen. Diese Zeit hat tiefe Spuren hinterlassen.
Heidi geht es gut und sie entwickelt sich prima. Ihre Haare sind so gewachsen. Natürlich hat sie neue Haarreifen und Klemmen und Spangen bekommen. Wie ein junges Mädchen steht sie immer vor dem Spiegel, um sich zurecht zu machen. Wir lachen nur, können uns nicht ärgern, selbst wenn wir dann morgens oft spät dran sind. Heidi ist wirklich durch und durch Mädchen. Schaut mal, was sie vor unserer Reise in ihre Waschtasche gepackt hatte! Ich konnte es einfach nicht lassen, alles nochmal auszupacken, um ein Foto zu machen.


Vor einer Woche waren wir beim Logopäden. Nach einer Stunde Wortschatz-, Grammatik- und Aussprachekontrolle erfuhren wir, dass es keinen Grund zur Aufregung gäbe. Dass rutschen "lutschen" ist und aus der Ratte eine "Latte" wird, scheint kein Problem zu sein. In absehbarer Zeit wird sich das von ganz allein geben. Schön. Nun muss Heidi es wohl als sehr unangenehm empfunden haben, im Beisein der Mama so ausgequetscht zu werden. Als die Logopädin sich verabschiedete, sagte Heidi mit heiter mahnender Stimme zu mir, dass ich meine Jacke und meinen Schal nicht vergessen solle. Die Logopädin biss sofort an. Ach so, hier passt also das Kind auf die Mama auf. Danke, sah man es in Heidis Augen listig aufblinken. Mit wiederhergestelltem Selbstgefühl und würdevollem Blick nahm Heidi Kurs auf die Tür, während ich mich noch mit meinem Schal herumärgerte...

Sorgen, nein, Sorgen haben wir keine. Jedenfalls nicht heute. Es ist schon ein besonderes Gefühl, sich wieder mit eher banalen Fragen auseinanderzusetzen. Zum Beispiel ob Heidis Sandalen noch passen oder ob wir vor der Reise nach Lanzerote noch neue besorgen müssen.  

Es geht uns gut. Es ist ein verdammt grosser Unterschied zwischen Leben und Überleben.

18 DEZEMBER 2007

Dienstag, den 18. Dezember 2007
Der Befund ist gekommen und das Warten ist wieder mal vorbei. Wir haben gute Nachrichten. Die MRT zeigt keine Veränderungen. Phantastisch! Nun liegen drei ruhige Monate vor uns. Die nächste MRT ist sooo weit weg. Yes! Morgen früh geht es auf nach Deutschland. Wir freuen uns riesig.

ALLEN LESERN VON HEIDIS BLOG EINE FROHE WEIHNACHT!
PASST GUT AUF EUCH AUF UND GENIESST JEDEN AUGENBLICK!




16 DEZEMBER 2007

Sonntag, den 16. Dezember 2007

Heute wieder mal ein paar neue Zeilen. Der Hauptperson dieses Blogs geht es gut. Sie hustet immer noch, aber seit der Antibiotikakur ist sie wohl über den Berg. Am dritten Tag der Kur bekam sie allerdings Nesselauschlag und telefonisch wollte niemand entscheiden, ob Heidi das Medikament weiter nehmen sollte. Mit Dvd-Spieler, Büchern, Stiften u.a. bestens ausgerüstet, verbrachten wir dann einen Freitagabend (wieder mal typisch) in der Notaufnahme der Kinderklinik. Na ja, es dauerte nur drei Stunden, ein Klacks... Mit Hilfe einiger Allergiepillen kam Heidi dann auch noch durch die restliche Woche der Kur.


Ansonsten war alles ziehmlich ruhig. Am 18. November hielt Heidis Geheimklubb Sonntagsversammlung. Die Prinzessinnen Smilla, Moa, Heidi und Linnea hatten viel Spass zusammen.




Am 6. Dezember kam Nikolaus, klar. Heidis Kindergartenfreunde, die von Heidi bestens unterrichtet wurden, was sie alles bekommen hatte, fanden es ganz schön schade, dass Nikolaus die schwedischen Kinder nicht auch besuchen kommt. Verständlich.  



 
Als ich klein war, fanden wir in erster Linie Obst, Nüsse, Schokolade und Bonbons in unseren Schuhen. Für Heidi brachte Nikolaus auch noch zwei grosse Geschenke. Zum einen können wir es nicht lassen, Heidi immer wieder mal zu überraschen, zum anderen macht Heidi sich nicht ganz so viel aus Süssigkeiten - 18 Monate völlige Freiheit auf diesem Gebiet haben dem Bonbonparadis doch irgendwie den Zauber gestohlen. Darum gab es (noch) eine Bratzpuppe und wunderschöne Schlittschuhe. Wie immer war es ein Vergnügen, Heidis Freude zu erleben, nicht zuletzt wegen der doch recht schweren Bedeutung, die dieses Datum für uns hat. 6. Dezember 2005 - der Tag von Heidis erster MRT und dem Befund, der unser Leben für alle Zeiten in Vorher und Nachher scheiden sollte.

Ja, dann kam schon wieder der Luciatag. Und Heidis nächste MRT. Ein Glück, dass Lucia immer sehr früh aus den Federn ist. Schon um Viertel vor sieben versammelten wir uns zum diesjährigen Luciafest im Kindergarten. Heidi war dieses Mal Pfefferkuchenweiblein. Sie hatte wochenlang ihre Strophe geübt, die sie aufsagen sollte. Es war ein riesen Ding für sie und als sie dann da vorn stand, ging alles gut und sie konnte das zweite Lichtlein "blennen" lassen...



Mit vier "Lussekuchen" in einer Plastiktüte ging es dann zur Klinik. Heidi durfte ja wegen der bevorstehenden Vollnarkose weder essen noch trinken. Als ob es im Dezember keine anderen Tage gäbe. Ihr erinnert Euch ja sicherlich, dass Heidis erste sehr komplizierte Hirnoperation am 13. Dezember 2005 war. Na ja, vielleicht ist Lucia ihre Schutzheilige geworden?

Alles ging prima (von der Nadel reden wir nicht mehr...). Die eigentliche MRT dauerte 1 1/2 Stunden. Dieses Mal waren sowohl der Schädel als auch der Rücken dran. Heidi kam schon wieder zu sich, als sie noch von der Röntgenabteilung durch die Klinik gerollt wurde, so dass man auf der Aufwachstation nicht mal mehr irgendwelche Messgeräte anschloss. Dann endlich durfte sie ihre Lussekuchen futtern.

Was bei der MRT herausgekommen ist, wissen wir noch nicht. Einstweilen wissen wir, dass niemand mit einer Hiobsbotschaft kam und wir nicht unmittelbar zwecks sofortiger Operation eines grossen Klumpens auf die Kinderneurologie eingewiesen wurden. Das ist erst mal eine Erleichterung. Man weiss ja nie... Krebs ist nun mal unberechenbar. Es war ein gutes Gefühl, die Klinik verlassen und nach Hause fahren zu können.


Jetzt müssen wir warten. Die Gedanken malen. Was liegt vor uns? Noch drei ruhige Monate oder ein neuer Anfang der Hölle? Am Dienstag fällt das Urteil. Da halten die Ärzte Tumorkonferenz und spät am Nachmittag hat man uns versprochen, den Befund telefonisch zu übermitteln. Dann sitzen wir schon in den Startblöcken und auf gepackten Reisetaschen, um gen Süden zu fahren. Der Erfurter Weihnachtsmarkt wartet, um nicht von der  Verwandtschaft zu reden. Drückt alle Daumen!


28 NOVEMBER 2007

Mittwoch, den 28.  November 2007

Wie die Zeit vergeht! Erst heute komme ich dazu, den Eintrag zu übersetzten, den ich schon am 16. November auf Heidis schweidscher Seite veröffentlicht habe. Bei uns geht jedenfalls alles seinen Gang. Ende Oktober waren wir zu einem Familientag im Grand Hotel in Helsingborg (ca. 60 km von uns). Gemeinsam mit der schwedischen Kinderkrebshilfe hatte das Hotel zu einem Wochenende voller Unterhaltung für sowohl Kinder als auch Eltern eingeladen. Man durfte u.a. einem berühmten schwedischen Fussballspieler, Henrik Larsson, ganz nah kommen und dem Gesang einer Sängerin, Emilia - auch sie ziehmlich berühmt - lauschen. Wir wohnten in einem grossen, altmodisch gestylten Zimmer, das sogar  zwei Teile hatte, wodurch Heidi in höchst eigener Prinzessinnenkammer schlafen durfte. Sehr spannend!


Kurz darauf ging es auf zum Weissenhäuser Strand. Das Erlebnisbad war in den Augen unserer Wasserratte Heidi ein Volltreffer. Immer wieder zog sie Jan zu der Treppe, die zu der gigantischen, 156 langen Rutsche führt. Den ganzen Tag im Bad - ja, das war toll, fand Heidi. Es war nicht einfach, nach drei Tagen die Taschen wieder zu packen. Unser Versprechen, dass wir bestimmt noch mal da hin fahren, war in Heidis Ohren nicht viel wert, als es ans Abreisen ging.  Aber das machen wir, ganz sicher.


 

Und wir werden jede Menge andere Dinge unternehmen. Wir wollen die Zeit, die wir mit Heidi haben, gut ausnutzen und mit vielen gemeinsamen Erlebnissen ausschmücken. Jetzt schmieden wir Pläne für die Weihnachtszeit. Sollen wir nach Deutschland fahren? Es ist 2 1/2 Jahre her, dass wir in meiner Heimat waren. Der Erfurter Weihnachtsmarkt ist zauberhaft und Heidi würde sicher begeistert sein. Ja, doch - wir werden wohl Richtung Süden fahren. Ausserdem träumen wir von einer Reise zum richtigen Süden, zur Sonne, wo unsere Bademaus den ganzen Tag lang planschen kann...
Wie gesagt, wir planen eifrig. Nicht unbedingt hysterisch, aber doch irgendwie intensiver als wir es getan hätten, wenn wir uns in einer anderen Lage befinden würden. 50:50 - das ist Heidis Chance, das ist und bleibt die nackte Wahrheit. Wie wir die Sache auch drehen und wenden, wie sehr wir uns auch einreden, dass das Leben aller anderen auch tückisch ist, so empfinden wir die 50 Prozent, die gegen uns sind, als grosse Bedrohung.


Aber natürlich - da sind auch 50 Prozent auf der anderen Seite, auf der glücklichen. Manchmal male ich mir und Jan ein Bild, das von einer grossen Heidi handelt. Da ist sie schon ein junges Mädchen, klug und voller Lebenskraft. Und dann schmücke ich mit Details aus, wie wir da sitzen und von der Zeit reden werden, als wir noch solche Angst hatten, weil wir ja da noch nicht wussten, dass sie leben würde. Ich werde Tag und Nacht davon reden. Erinnerst du dich, wie schlimm das war? Weisst du noch, welche Kraft es kostete, alle Ängste zu unterdrücken, wie schwer es war, immer nur für den Augenblick zu leben? So einfacher das Dasein gewesen wäre, wenn wir damals gewusst hätten, dass sie es schaffen wird...

Dieses Bild ist Honig für die Seele. Genau so kann es aussehen, ja, es kann tatsächlich so werden.

Inzwischen kämpfen wir mit den für die Jahreszeit üblichen Erkältungen. Seit Wochen hatte Heidi gehustet. Als sie dann auch noch leichtes Fieber bekam, hielten wir einen Arztbesuch für angebracht. Und richtig: Heidis CRP lag bei 36 - nicht wahnsinnig hoch, aber doch Zeichen einer bakteriellen Infektion. Die linke Lunge war nicht richtig in Ordnung. Also bekam Heidi Antibiotikum.
Zur Belohnung für ihre Tapferkeit beim Doktor durfte Heidi dann am nächste Tag mit in die Schule und Aushilfslehrer für Deutsch und Kunst spielen. Genau wie Mama hatte sie sich natürlich am Abend vorher vorbereitet. Notizen und Zeichnungen (siehe Foto) wurden angefertigt. Die Zeichnungen sollten den Kindern beim Zeichnen der Tiere als eine Art Vorlage helfen.
An diesem Tag kam eine stolze und überglückliche Lehrerin Heidi nach Hause. Ihre Berufswahl steht felsenfest.



25. OKTOBER 2007

Donnerstag, den 25. Oktober 2007
Als wir vor zwei Wochen vom Neurologen kamen, war ich fest entschlossen, sofort etwas zu schreiben. Wir waren so froh! Aber als wir nach Hause kamen, mussten wir ja erst ein bisschen Geburtstag feiern, am Tag danach habe ich viel gearbeitet und dann haben wir begonnen, unsere Waschküche zu renovieren... Ja, so vergingen die Tage und ich kam nicht zum Schreiben.
Na ja, zurück zum Neurologen. Heidi war froh und munter, guter Laune und voller Lebenskraft. Ausserdem mehr als erleichtert, dass sie heute tatsächlich keine Nadel in ihr Port kriegte. Willig und zu allem bereit, führte sie allerlei kleinen Übungen und Tests ziehmlich problemlos aus. Heidis Körpersprache allerdings drückte deutlich ihre Verwunderung aus, wozu das denn alles gut sei. Das war schon ein bisschen lustig. Mit erwartungsvollen Augen schaute sie den Doktor an, wenn er ihr erklärte, was sie als nächstes tun sollte. Sie war so wunderbar.

Doktor Johan kam zu dem Schluss, dass unser kleines Mädchen in einem phantastischen Zustand ist. Es klang fast, als hätte sie alle guten Erwartungen übertroffen. Der Arzt war froh, richtig echt froh. Das war ein herrliches Gefühl. Er sagte auch, dass wir wirklich sehr zufrieden sein dürften. Alles ist relativ, könnte man da meinen. Ja, natürlich. Aber die Perspektive dieses Arztes ist eben mit keiner anderen vergleichbar. Was der alles auf seiner Arbeit sieht, davon will man im Normalfall ganz einfach nicht mal etwas hören.
Unser Gespräch drehte sich auch um das heikle Thema Rückfall. Wir hatten die Frage danach, wie hoch das Risiko denn sei, auf der Zunge, schluckten sie aber doch herunter. 20 oder 70, das sind ja letztendlich bloss Zahlen, um die sich die Angst sowieso nicht kümmert. Was zählt, ist dass jeder Tag ohne Rückfall ein Tag in die richtige Richtung ist, nämlich ein Stück weiter weg vom Risiko. Ein Tag nach dem anderen. Schön ruhig und keine Panik. Das gelingt uns meistens ziehmlich gut. Besonders, da die nächste MRT noch 50 Tage vor uns in der Zukunft liegt.
Ausser der Zufriedenheit des Arztes durften wir auch eine Neuigkeit, die eventuelles Fieber betrifft, mit nach Hause nehmen. Heidis Immunsystem wird nun als so stabil betrachtet, dass das Risiko einer lebensbedrohlichen Blutvergiftung bei weitem nicht mehr so hoch ist, wie es während der ein und einhalb Jahre Chemos war. Rein praktisch bedeutet das, dass wir nicht mehr sofort zur Kinderkrebsstation brauchen, wenn Heidi Fieber bekommt. Das ist eine grosse Erleichterung und ein weiterer Schritt in Richtung normales Dasein. Schön!

Vor ein paar Tagen waren wir mit Heidi bei einer Kontrolle für Fünfjährige. Alles ging prima. Wir beschlossen jedoch, dass Heidi zu einem Logopäden gehen soll, um ihre Aussprache zu verbessern. Das ist natürlich gut, aber ich werde die charmante Weise vermissen, auf die sie das "r" ausspricht und aus einer Ratte eine Latte wird.

Anbei ein paar Bilder vom 11.10.07, die deutlich zeigen, dass "lecker" endlich wieder "lecker" ist. So ein Sahnejogurt mit Schokoflocken ist schon was Feines, findet Heidi. Und wo einer Platz kriegt, passt meistens noch einer 'rein...





7. OKTOBER 2007

Sonntag, den 7. Oktober 2007

Hallo, Ihr lieben Heidiblogg-Leser!
Entschuldigt, dass dieser Eintrag so lange auf sich warten lassen hat. Der Alltag hat uns voll in seinem Griff und wir leiden an einer Krankheit, die man auch Zeitmangel nennt.

Heute können wir jedenfalls erzählen, dass es Heidi super geht. Sie schläft und isst gut. Sie hat immer gute Laune und es ist einfach herrlich, sie zu sehen. Eine wahre Freude, wie wir sie seit langem nicht erlebt haben. Wir geniessen in vollen Zügen.

Essen und Mahlzeiten sind immer noch etwas knifflig, aber in letzter Zeit kriegen wir Heidi immer öfter zu uns an den Tisch und dann isst sie auch das, was wir anderen essen. Während der Chemos war es am wichtigsten, dass sie überhaupt etwas zu sich nahm und im Prinzip war es egal, was. Sie durfte sich etwas wünschen und das hat sie dann halt bekommen. Feste Zeiten gab es nicht und Heidis Tisch stand vor dem Fernseher. Gewohnheiten, die man nicht über eine Nacht ablegt. Aber die Tendenz geht in die richtige Richtung und auch darüber sind wir sehr froh. Bestellt Heidi drei Kugeln Schokoeis zum Frühstück, kann es schon sein, dass sie sie auch kriegt. Wir sind jetzt allerdings so weit, dass sie sich des Risikos bewusst ist, ein "Nein" zu hören.

Am Mittwoch haben wir einen Termin beim Kinderneurologen Doktor Johan. Er wird sicherlich kontrollieren, wie Heidis Körper sich nach all den Chemos erholt hat und möglicherweise etwas mehr zu der  letzten MRT sagen. Wir werden sehen. Natürlich melden wir uns mit eventuellen Neuigkeiten, sonst kann es bis zum nächsten Eintrag wohl wieder ein paar Wochen dauern...






19. SEPTEMBER 2007

Mittwoch, den 19. September 2007

Vor gut einer Stunde erreichte uns die frohe Botschaft, dass die MRT-Aufnahmen von voriger Woche völlig in Ordnung sind. Yes, yes, yes!

Nun liegen wieder drei ruhige Monate vor uns. An der Kühlschranktür hängen Zirkuskarten, Heidi ist zu einigen Kindergeburtstagen eingeladen und ein Minitrip zum Weissenhäuser Strand ist schon gebucht.


Ein wunderschönes Gefühl, aufatmen zu können.


15. September, 12.45 Uhr. Partyvorbereitungen. Heidi wird gleich zu Kindergartenfreund Albins Maskenball gehen. Sie betrachtet sich im Spiegel und ist zufrieden.

11. SEPTEMBER 2007

Dienstag, den 11. September 2007

Alles ging prima heute. Das Personal der Station 63 tat alles, um Heidi die Prozedur so weit wie möglich zu erleichtern. Eine alte Bekannte, Schwester Viveka von der ambulanten Kinderkrebsstation, wurde angeheuert, um die Nadel in Heidis Port zu stecken. Das war schwer, aber wir hatten es nicht anders erwartet. Heidi hatte sich schon vorher versichert, dass sie weinen durfte. Unsere kleine Maus...

Vor der Narkose war sie ruhig und entspannt. Kein Problem. Die MRT dauerte nur eine Dreiviertelstunde. Dann eine Weile auf der Aufwachstation, zurück zur Station 63, trinken, essen, auf die Toilette und schon gegen Mittag war die blöde Nadel wieder draussen.

Die Blutprobe zeigte, dass Heidis Immunsystem noch immer nicht richtig auf den Beinen ist. Die letzte Chemo ist über drei Monate her. Wie lange das doch dauert. Die neutrophilen Granulozyten und die Weissen liegen weiterhin unter dem Grenzwert.

Den MRT-Befund bekommen wir erst Mittwoch nächste Woche. Auch gut. Das macht weitere acht Tage ohne eventuellen Rückfall. Eine Zugabe, sozusagen. Aber was. Warum machen wir uns verrückt. Da ist kein neuer Tumor in Heidis Kopf. Nicht jetzt! Und damit basta.




Zoopark Kolmården (Norrköping) am 2. september 07. Das hat Spass gemacht!


31. AUGUST 2007

Freitag, den 31. August 2007

Hier bei uns geht so alles seinen Gang. Heidi geht es gut. Keine Infektionen und, soweit wir die Sache beurteilen können, keine Probleme. Entweder sind die Reflexe dabei wiederzukommen oder Heidi hat es gelernt, sie auf irgendeine Weise zu ersetzten. Wie auch immer, sie fällt jetzt viel seltener hin und hat es u.a. gelernt, ordentlich mit ihrem Roller  zu fahren. Dankbar darüber, dass wir sie nicht mehr ständig ermahnen, vorsichtig zu fahren, rast sie wie eine Wilde damit herum.
Heidi sieht gut aus, wie ein ganz normales Mädchen, abgesehen von ihrer Frisur, die immer noch ein bisschen anders ist. Aber ihre Haare sind ein gutes Stück gewachsen und man kann sogar Haarspangen hineinstecken, was für Heidi wirklich das Erreichen eines Meilensteins bedeutet. Kaum zu glauben, welche Bedeutung ein paar Haarspangen bekommen können.
Wie immer geniesst sie ihre Tage im Kindergarten. In ihrem Bestreben, den anderen KIndern so ähnlich wie möglich zu sein, betrachtet sie einen Tag im Kindergarten mit Frühstück, Mittag und Nachmittagsmahlzeit als Höhepunkt ihrer Existenz.
Dann haben wir da noch Jan und mich. Immer noch nicht richtig zufrieden damit, wie wir schlafen und wie es uns geht und so, sind wir doch glücklich darüber, dass unser Mäuschen so froh und munter ist. Wir versuchen, das Alltagsleben wieder aufzunehmen. Das geht recht gut. Aber manchmal ist es sehr anstrengend, immerzu so zu tun, als wäre alles okay, ständig nur an heute und niemals an morgen denken zu dürfen, ohne dass es weh tut. Heidis grosses Ziel in diesem Leben scheint nämlich gerade dort zu liegen, in der Zukunft. Sie will nichts anderes als gross werden und sie sehnt sich danach, Mama zu sein, zu heiraten, Erzieherin oder Lehrerin zu werden - sie redet von nichts anderem. Und wenn sie dann so vollständig unbekümmert ihre Zukunftsbilder in allen Farben des Regenbogens malt, zieht sich halt irgendwie der Magen  zusammen und wir werden traurig. Unvermeidlich.

Bald ist die nächste MRT dran und die Benachrichtigung ist schon in unseren Briefkasten gelandet. Und nun nähert er sich mit schnellen Schritten, der 11. September. Die Auswirkungen sind die üblichen. Mehr unruhige Gedanken, weniger Schlaf, ein paar weitere stille Gebete.
Drückt alle Daumen, die Ihr habt!



 

"Wollen wir Marita spielen"? fragte Heidi neulich. Und schwupps war Papa als Patient erkoren... Schaut Euch die Ausrüstung an - da ist alles, was man zu einer fachmässig ausgeführten Blutprobe braucht.
(Ihr erinnert Euch sicher, dass Marita die Frau ist, die Heidi bei den regelmässigen Proben zwischen den Chemos meistens das Blut abgezapft hat.)


11. AUGUST 2007

Mittwoch, den 8. August 2007
Nun sind wir wieder zu Hause. Einen guten Monat waren wir mit dem Wohnwagen unterwegs. Es waren schöne Wochen, aber der Sommer wollte dieses Jahr nicht so richtig Sommer werden und aus Strand und Baden, genau das, wonach Heidi sich so gesehnt hatte, wurde nicht viel. Den ganzen vorigen Sommer, als wir die Sonne wie die Pest meiden mussten, hatte sie hören müssen, dass sie nächstes Jahr wieder richtig baden dürfte. Und was man ihr versprochen hat, das vergisst sie nicht. Und sicher, mit fünf Urlaubswochen vor sich, hätten wir eine Chance haben sollen, dass es mal richtiges Badewetter wird. Aber nein, es wurde eigentlich nie richtig warm und es regnete oft tagelang zum Erbarmen... Mit dem Wetterbericht auf dem Laptop-Bildschirm sowohl morgens als auch abends begann auch Heidi schnell von "Wetterbelicht" zu reden. Arme Bademaus, von Woche zu Woche vertröstet... Aber sie durfte trotzdem baden. Viele Stunden lang - in der Schwimmhalle und im Abenteuerbad. Halle mitten im Sommer... Bisschen trist, aber es hat trotzdem Spass gemacht.
Zum Preise einiger unruhiger Tage darüber, wie Heidis Körper die 17 Grad Wasser- und die 20 Grad Lufttemperatur überstehen würde, durfte sie auch noch mal fix in den Vänern hüpfen. In der Woche, die wir in Jans Heimatstadt Vänersborg verbrachten, besuchten wir Familie und Freunde. Es war schon etwas anderes, die Cousinen Elin und Hanna sowie Oma Greta und die Grosstanten Inga-Maj und Inger endlich mal wieder in deren Heim zu besuchen (auf dem Foto unten sind wir bei Grosstante Inger). Eigentlich wollten wir länger in Vänersborg bleiben, aber Heidi bekam von dem ewigen Mischwetter dann einfach genug und wollte nach Hause.


Und nun sind wir also wieder zurück. Für Heidi bedeutet das unter anderem schöne Tage im Kindergarten. Gestern ass sie zum ersten Mal seit einem Jahr und acht Monaten wieder Frühstück dort. Ein weiterer Schritt in Richtung Normalität. Ein eigentlich ganz unbedeutendes Detail, das für Heidi eine enorme Bedeutung hat. Sie am Abend vorher ins Bett zu kriegen, war kein Problem. Warten am nächsten Tag grosse Ereignisse, muss man schliesslich in der Nacht vorher ordentlich schlafen, auch wenn an Heidis Bettkante (in ihrem Zimmer, wo sie jetzt wieder schläft) dann noch viele Überlegungen und Fragen besprochen werden mussten.
Als sie gestern zum Kindergarten kam und es wieder Frühstück geben sollte, stellte sie mit Verwunderung fest, dass das Frühstücken von gestern also keine Ausnahme war. Und dann kamen auch gleich die Fragen: Wie wird das dann mit dem Nachmittagsmahl? Darf sie das auch im Kindergarten essen? Vielleicht kann sie sogar mal als erste kommen und als letzte abgeholt werden? Toll, fand sie, das sind ja Dimensionen!
Unsere kleine Fünfjährige erobert also Schritt für Schritt ihr normales Leben zurück. Heidis Definition von normalem Leben ist auf der einen Seite erheiternd und auf der anderen rührend. Keine Chemo und Blutproben mehr, Frühstück im Kindergarten und Baden im Meer bedeutet, dass alles wieder gut ist. So verblüffend einfach. Wir sind so froh, dass sie nicht mit all den schweren Brocken herumlaufen muss, die wir unter den Armen tragen -alles das, was wir über ihre verschlagene Krankheit wissen und nicht zuletzt die Ungewissheit. Wir freuen uns über ihre ahnungslose Zuversicht und hoffen, dass sie diese weit , weit in die Zukunft behalten darf.

25. JULI 2007

Mittwoch, den 25. Juli 2007 

Nun sind wir schon mitten in unserer vierten Woche Nomadendasein. Alles ist okay. Heidi mag das Leben im Wohnwagen genau so wie wir. Es geht ihr gut und sie spielt den lieben Tag lang, isst und schläft prima, die Haare wachsen, ihr Gesicht ist rosig und irgendwie sieht sie jetzt rundherum viel pummeliger aus. Manchmal zählen wir die Wochen, die seit der letzten Chemo vergangen sind, geniessen immer noch in vollen Zügen, dass die schrecklichen Klinikaufenthalte vorüber sind.
Wir versuchen nun, Heidis Leben im Allgemeinen und ihre Essgewohnheiten im Besonderen so nach und nach wieder zu normalisieren. Bonbons, wann immer sie will, Eis zum Frühstück und Schokoladenkuchen spät am Abend sind Gewohnheiten, die nicht so einfach auszumerzen sind. In fast einem Drittel ihres Lebens wurde Heidi ständig zu Kalorien überredet, wobei es völlig egal war, woher sie stammten. Heidi kennt also gar nichts anderes. Es gab Zeiten, da wir beim Einkaufen noch eine extra Runde um die Regale mit den Süssigkeiten gedreht haben. Alles in der Hoffnung, dass Heidi vielleicht Appetit auf ein paar Schokolinsen kriegen könnte. Nun plötzlich ist das alles ganz anders. Nun plötzlich muss sie sich unsere Auslegungen und Erklärungen zum Thema anhören, statt die Leckerheiten einfach in sich hinein zu schieben. Heidi ist oft erstaunt und es kommt schon mal vor, dass sie einsichtig ist... 


Unser Urlaub rollt weiter. Auch auf dem Campingplatz in Lilleby (liegt an der Küste bzw. in den Schären ca. 20 km westlich von Göteborg) und in Göteborg regnete es eine Menge. Zum Glück war es ein bisschen schöner, als wir Bengt (Jans Chef) und dessen Frau Lisbeth auf der Schäreninsel Hönö besuchten. Wir verbrachten einen gemütlichen Nachmittag, der viel zu schnell verging. Ein Detail, das hier unbedingt erwähnt werden muss, ist, dass Bengt uns in Lilleby abholte. Und ratet mal, wie... Genau. Mit einem tollen Motorboot. Am Freitag Segelboot, nun Motorboot, das war was für unsere abenteuerlustige Maus.



Am Nachmittag verzogen sich die allerdicksten Wolken und das Meer hatte sich etwas beruhigt. Auf der halbstündigen Fahrt zurück zu Lillebys kleinem Hafen konnte Heidi ganz vorn im Bug sitzen. Kein Zweifel, dass es ihr riesigen Spass machte, als das Boot mit gut 30 Knoten (ca. 55 km/h) die Wellen durchschnitt.

Bei genauerer Beobachtung entdeckte ich zu meiner Verwunderung, dass wir nicht mehr einfach nur mit dem blossen Dasein zufrieden waren. Die schwachen Zeichen, dass wir mehr wollten, nahmen immer mehr Gestalt an. Beispielsweise begannen wir, über das Wetter zu meckern. Die wunderschöne Westküste und so viel Regen - ja, schliesslich hatten wir genug. Ein Zeichen von Genesung? Sowohl Jan als auch ich kramten das Buch hervor, das wir begonnen hatten, bevor Heidi krank wurde. Man könnte meinen, dass wir einen klitzekleinen Schritt aus unserer Verschanzung gemacht haben. Aus der Verschanzung, in der es so lange absolut nichts anderes als Heidi gegeben hatte. Zu hundert Prozent.

Auf der Jagd nach Sonnenschein analysierten wir eine Vielzahl von Wettervorhersagen von allerlei Orten in ganz Südschweden bis hoch nach Gävle und entschieden, dass wir quer rüber an die Ostküste fahren würden. Am Donnerstag kamen wir auf dem Campingplatz Tättö, ein paar Kilometer von dem Ort Loftahammar entfernt, an. Mit uns kam schönes Sommerwetter. Heidi konnte sogar baden, auch wenn das Wasser nur 17 Grad hatte und wir ihr die ganze Zeit in den Ohren lagen, dass sie schnell wieder raus muss...






Wir streunten auf der Halbinsel herum, sammelten Blaubeeren, fuhren Rad, angelten. Nach eine Woche wurden wir dann doch ein bisschen rastlos und begaben uns auf den Weg zu dem grossen See Vättern. An dessen Südspitze übernachteten wir eine Nacht auf einem Campingplatz in der Nähe von Gränna. Am nächsten Tag zogen wir weiter und kamen nun zu Jans Heimatstadt Vänersborg, die an der südlichen Spitze des Sees Vänern liegt. Hier besuchten wir nun jede Menge Verwandte. Es ist fast zwei Jahre her, dass wir gemeinsam in dieser Gegend waren. In der Nähe von Vänersborg liegt auch das Sommerhäuschen von Heidis Cousinen Elin und Hanna und es gab ein grosses Hallo, als die drei Mädchen sich endlich mal wiedersahen.
Das Wetter spielt uns weiterhin seine unangenehmen Streiche. Es regnet immer wieder. Der Sommer will einfach nicht richtig aus dem Knick kommen. Baden und Strandbesuche gehören zu den seltenen Beschäftigungen. Schade! Auf dem Campingplätzen stehen etliche Standplätze unter Wasser und die Cafés und Restaurants gähnen menschenleer. Dieses Phänomen ist nicht direkt selten und wird auch als schwedischer Sommer bezeichnet.


7. JULI 2007

Samstag, den 7.  Juli 2007

Hallo, liebe Leser! Wir sind auf Urlaub! Derzeit ganze 300 km von zu Hause, wow... Aber Moment mal, eins nach dem anderen.
Bisher hatten wir eine schöne Zeit. Keine Chemos mehr vor sich zu haben, ja, das ist schon was ganz anderes.
Doktor Helena hat angerufen. Die MRT-Bilder sehen gut aus. Dann war da noch der Neuropsychologe. Ausser Heidis etwas merkwürdiger Aussprache, dem asiatischem Klang sozusagen (drei = lei), gab es nichts zu bemängeln. Das mit der Aussprache kommt sicher mit der Zeit noch. Heidi schaffte alle Tests ausgezeichnet. Wie erwartet, aber eben schön zu wissen. Es sind in erster Linie Strahlung, die dem Gehirn schaden, da die Strahlen auch anderes Gewebe als den Tumor kaputt machen. Solche Spuren hinterlassen die Chemogifte nicht. Die haben ihr Werk auf andere Weise erledigt.
Am 28. Juni war Heidi noch mal zum Blutabnehmen. Am Nachmittag, als wir den Befund bekamen, stand fest, das dies die letzte Blutprobe war, da Heidis neutrophilen Granulozyten auf ganze 1,5 gestiegen waren. Ein grosses Dankeschön an Marita und das Team im Labor von Staffanstorp! Es muss an die 80, 90 Mal gewesen sein, dass Heidi bei Euch war. Ihr wart wunderbar! Wir kommen im August irgendwann mal vorbei, um zu sehen, was Ihr so treibt. Versprochen!
Nun, da das Gesundheitswesen uns endlich aus seinem eisernen Griff entlassen hat, konnten wir es, der schlechten Wettervorhersage zum Trotz, nicht abwarten, mit dem Wohnwagen loszuziehen. Der erste Anhalt war ein Campingplatz in Ugglarp, nördlich von Halmstad. Wir hatten Sonne und viel, viel Regen. Freilich war es eine nasse Geschichte, aber das stört uns eigentlich kaum. Ich muss zugeben, dass wir richtig verwöhnte Camper sind und unser Wohnwagen im Prinzip alles bietet, was wir auch zu Hause haben. Nur die Wohnfläche ist eben etwas kleiner.







Gestern zogen wir dann weiter nach Lilleby. In Göteborg machten wir halt, da Johan und Linda uns auf eine kleine Segeltour mit ihrer neuerworbenen Schönheit zu einer kleinen Schäre eingeladen hatten. Wir hatten sehr schwachen Wind und Heidi war nicht besonders beeindruckt. Sie schaute mehr nach den schnellen Motorbooten, die vorbei sausten. Typisch Heidi...
Auf dem Rückweg stand sie dann ganz vorn im Bug auf der äussersten Spitze des Bootes. Das war dann schon spannender. Dort konnte sie nach Fischen und Quallen Ausschau halten. Und sie freute sich über die Wellen, die jedes Mal, wenn eine der kleinen Pendelfähren vorbei kam, an das Boot schlugen. Hm, das war besser. So gut, dass sie trotz des strömenden Regens gern weiter gesegelt wäre und schon vom nächsten Mal plapperte. Vielen Dank, Johan und Linda.







RÜCKBLICK - JUNI 2007

Mittwoch, den 6. Juni 2007
Ja, nun ist es also vorbei. Die Schwestern servierten keinen Sekt und niemand schüttete Goldkonfetti über uns aus. Keine Reporter, die mit ihren Mikrofonen herumwedelten, keine Blitzlichter, die unsere Augen blendeten. Am 3. Juni 2007 um 21.00 Uhr war es vor der Kinderklinik in Lund still und schön. Es war immer noch ein bisschen sonnig und es fühlte sich eigentlich ungefähr so wie die anderen 27 Mal an, wenn wir nach Hause gefahren sind: Schön.
Für Heidi war es doch bedeutend mehr als einfach nur schön. Wir waren gerade ins Haus gekommen, da stürzte sie schon an ihr Schubfach, um eine Schere herauszuholen und den letzten Zettel abzuschneiden. Im Handumdrehen war er auf die Sektflasche geklebt. Sie war so geladen, so glücklich! Dann durfte sie den Draht von dem Sektkorken abdrehen und der flog auch richtig durch die Küche. Toll! Die Zungenspitze in den Schaum getaucht, brrrr! Mineralwasser schmeckt doch besser. Ein Glück...
Ja, alles war genau so, wie wir es uns immer wieder vorgestellt hatten. Ein langgezogenes, aber glückliches Ende von 28 Chemotherapien. Fast 17 Monate. Wir finden, dass Heidi nach all diesen Giften und Medikamenten in einem erstaunlich gutem Zustand ist. Am Donnerstag, dem 14. Juni wird eine abschliessende Untersuchung stattfinden. Man wird u.a. das Skelettalter bestimmen (Röntgen der Hand), einen Nierenfunktionstest und eine MRT von Schädel und Rücken durchführen. Drückt die Daumen, dass allles in Ordnung ist. Wir brauchen wirklich eine Atempause, müssen uns ein bisschen erholen. Wenn es auch nur für drei Monate bis zur nächsten MRT ist.
Die Ärzte sind im Allgemeinen schwer zu deuten und reagieren mit einem merkwürdigem Gesichtsausdruck, wenn man nach Heidis Aussichten bohrt. Sie haben wohl ganz einfach keine Antwort. Wir werfen ihnen das auch nicht vor. Sie machen und geben alles, was sie könenn und haben. Bisher haben wir ein und ein halbes Jahr bekommen. Eine schwere Zeit, aber doch mit einer gewissen Lebensqualität. Das vergessen wir nicht.
Selbstverständlich wünschen wir uns nichts mehr auf der Welt, als das alles vorüber ist, aber leider ist die Wahrscheinlichkeit nicht so hoch. Ependymom ist ein sehr bösartiger Krebs, der stark dazu neigt, wieder zu kommen. Es wird gesagt, dass er ohne Strahlung nicht zu besiegen sei.
Aber wie gesagt, jetzt werden wir nicht destruktiv sein und an Rückfall, Strahlung und alles, was passieren kann, denken. Jetzt werden wir jeden Tag und das Leben geniessen. Nochmals vielen Dank an Euch alle da draussen für alle Grüsse, Briefe, Päckchen...









Mittwoch, den 13. Juni 2007
Vielen Dank für alle Gratulationen! Ihr macht Euch keine Vorstellung, wieviel Heidi das Ende der Chemos bedeutet und wie froh sie darüber ist, die starken Gifte nicht mehr zu kriegen. Dass es keine Krankenhausnächte mehr gibt, können wir Heidi allerdings nicht versprechen, da wir den Rest des Jahres bei Fieber immer noch auf die Kinderkrebs-station müssen. Ein halbes Jahr wird notwendig sein, um Heidis Immunsystem wieder auf die Beine zu bringen und in dieser Zeit ist weiterhin Vorsicht geboten. Eventuelles Fieber muss ernst genommen und untersucht werden. Aber ehrlich gesagt, sind wir deswegen nicht allzu beunruhigt. In all den 17 Monaten gerade mal drei Antibiotikakuren, nicht eine einzige Lungenentzündung, Blutvergiftung oder etwas anderes Schlimmes, obwohl die Weissen und neutrophilen Granulozyten mehrmals richtig schlecht waren... Alles ist so gut gelaufen, warum sollte das jetzt anders sein. Wir sind zuversichtlich.
Tja, wisst Ihr, es ist eben nie zu früh "Hurra" zu schreien. Denn was wissen wir schon, was morgen kommt? Genauso gut, dass wir uns heute freuen, wenn alles gut ist. Heute hat Heidi keinen Rückfall. Was morgen ist, wissen wir nicht. Aber heute ist es nicht so. Heute geht es Heidi super. Wir schauen sie an und sehen ihre grenzenlose Lebensfreude und ihren starken Charakter und ihren wohlgeformten Körper (der 10 cm und 2,5 kg gewachsen ist). Wir sind so stolz. Heute bilden wir uns ein, dass sie genau wie jede andere fünfjährige Göre ist. Vielleicht ein bisschen klüger, ein bisschen geschickter und ein bisschen besser. Sie ist ja unsere Tochter...
Morgen erwarten uns, wie bereits berichtet, einige Untersuchungen. Mit einer MRT von Schädel und Rücken geht es los. Die Gedanken drehen sich im Kreise und an den letzten Abenden war es schwer einzuschlafen. Hoffentlich finden sie nichts! Verdammt, diese ewige Angst, dieses ewige "Was, wenn..."
Vermutlich ist alles in Ordnung und um halb vier, wenn schliesslich auch noch das Gehör überprüft worden ist, werden wir nach Hause fahren, um ein paar Sachen zu packen und Heidi unsere Überraschung zu verraten: Am Freitag wird die ganze Familie nach Dänemark zu Legoland fahren. Die Kinderkrebshilfe lädt ein. Mit jeder Menge anderen Kindern mit dem Bus fahren, im Hotel übernachten und sich zwei Tage im Legoland tummeln - das wird unserer Maus zweifelsohne gefallen. Auch wenn wir Eltern sehr geschafft sind und uns am liebsten nur ausruhen und faulenzen wollen, wird es sicherlich viel Spass machen. Die Abwechslung und Unterhaltung wird auch uns gut tun. Es ist sicher nicht so gut, einfach wie ein Sack zusammen zu fallen. Aber leicht passiert, denke ich mal. So, fertig für heute, nun drückt fest die Daumen!

Donnerstag, den 14. Juni 2007
Alles klappt gut und Heidi ist ein sehr tüchtiges Mädchen. Das MRT-Team besteht aus wohlbekannten Gesichtern. Sie wissen genau, wie man Heidi behandeln muss, damit sie ruhig und entspannt ist. Unter kompetenten Händen gehen Narkose und Untersuchung wie geschmiert. Auch auf der Aufwachstation geht alles prima. Heidi ist schnell wieder da und man braucht kaum irgendwelche Kontrollen zu machen.
So weit wir wissen, sind keine grossen Geschwüre zu sehen. Mehr werden wir hören, wenn die Ärzte ihre Tumorbesprechung abgehalten haben. Ich nehme an, dass sie nicht so viel sagen werden, wenn die MRT-Bilder in Ordnung sind. Keine Nachrichten sind in den nächsten Wochen also gute Nachrichten.
Doktor Helena untersucht Heidi sorgfältig. Sie kommentiert nicht so viel. Alles scheint so zu sein, wie es sein soll. Die Reflexe in den Beinen sind völlig weg, ganz normal, wenn das Rattengift Vincristin im Bilde war. Es kann mehre Jahre dauern, bis die Reflexe wieder richtig da sind. Etwas besser zu hören war, dass wir in den kommenden Monaten wohl nicht ständig zum Blutabnehmen rennen müssen, wie wir es befürchtet hatten. Sobald die Werte die richtige Tendenz aufweisen, reicht es. Herrlich!
Für den Nierenfunktionstest werden Heidi zwei Blutproben über den Finger entnommen. Das macht sie heute glänzend. Schon am Abend vorher, als Heidi und Jan den Tagesablauf für heute durchgingen, hatte Heidi sich entschieden, die zwei Proben gut zu überstehen. Und so ist es dann auch. Toll!
Gerade, als wir zum Handröntgen los wollen, bekommt die Schwester einen Anruf vom Labor. Da hat man das zweite Röhrchen mit Heidis Blut fallen lassen, wobei der Verschluss abging und das Blut auf den Boden lief. Als Viveka Heidi vorsichtig fragt, ob sie denn noch eine Probe machen kann, sehen wir uns ein wenig beunruhigt an. Aber Heidi trägt es wie ein Mann und sagt schnell: "Das macht nichts." Aha, also wieder zum Behandlungszimmer und den dritten Finger ausgestreckt. Auch dieses Mal verzieht Heidi keine Miene.
Am Nachmittag können wir uns nicht mehr beherrschen und erzählen Heidi von der Reise ins Legoland. So ein Spass! Heidi, die heute wirklich froh und munter ist, wird noch froher und noch munterer. Sie ist einfach ein Schatz.


Samstag, den 23. Juni 2007



Legoland war super, wenn auch sehr feucht. Freitag war okay, aber den ganzen Samstag regnete es ununterbrochen. Wir hatten viel Spass und fuhren bis zum Umfallen Karussell. Wir kamen mit vielen schönen Erinnerungen nach Hause, Heidi und ich ausserdem noch mit einer Erkältung.
Na ja, das kommt vor. Nur, dass wir nun wieder die ganze Woche vor dem blöden Fieber Angst hatten, da Heidis Weisse und neutrophile Granulozytenbei der Åprobe vom Mittwoch recht schlecht waren. Aber bis jetzt ist alles gut gegangen und wir hoffen, dass die neutrophilen Granulozyten nächste Woche auf 1,0 klettern. Das würde bedeuten, dass Heidi nicht mehr so infektionsgefährdet ist, dass wir keine Blutproben mehr machen müssen und somit endlich mit dem Wohnwagen losfahren können. Wir sehnen uns nach einer richtig langen Reise, nachdem wir voriges Jahr immer nur für ein paar Tage und im Radius von 50 km wegfahren konnten.

Am Mittwoch wird Heidi für ein, zwei Stunden von einem Neuropsychologen in die Mangel genommen, um ihre geistige Entwicklung zu überprüfen. Einen solchen Test hatte man auch vor der ersten Operation im Dezember 2005 durchgeführ. Wird spannend. So schlecht kann es eigentlich nicht bestellt sein, wenn man an Heidis leuchtende Einfälle denkt, die sie uns hin und wieder auftischt.
Wie zum Beispiel vor einiger Zeit, als Jan auf der Strasse von einem Mann nach dem Weg zur Zentralschule gefragt wurde und Heidi wissen wollte, wer dieser Mann gewesen sei. Jan spekulierte, dass das vielleicht der Lehrer war, den Heidi eines Tages haben würde, wenn sie in die Schule kommt. Worauf Heidi sagte:"Aber ich werde keinen Lehrer haben. Ich werde der Lehrer sein!" Oder heute, als wir ein Spiel spielten und Heidi und Jan sich nicht über die Regeln einigen konnten. Da drohte Heidi damit, ihre Taschen zu packen und wegzufahren. Nach England. Eine Drohung, die wir anderen in der Familie einstimmig als zehn Jahre verfrüht betrachteten. Na ja, ich durfte jedenfalls mitfahren und auch Tim, der als Reiseziel Legoland vorschlug. "Nein, nein", sagte Heidi. "Nicht zu Legoland. Da müssen wir doch wieder zurück nach Hause..."


  Mittsommer



RÜCKBLICK - MAI 2007

Dienstag, den 1. Mai 2007
Ein wunderbarer Tag...





Donnerstag, den 3. Mai 2007
Gestern sollten wir zur Chemo Nr. 26 in die Klinik. Aber auf der Station hatte man die Patientenplanung geändert und Heidi erst für heute eingebucht. Bloss, dass uns niemand Bescheid gegeben hat. Da stehen wir mit Sack und Pack, haben uns seelisch und moralisch auf die Chemo eingestellt, alles gepackt und gemacht, ich habe von der Schule frei genommen - um auf dem Absatz wieder umzudrehen. Ziemlich blöde. Ein bisschen mehr Struktur und mehr Routinen - das würde der Kinderkrebsstation zweifelsohne gut tun.
Wieder zu Hause kriegt Heidi Jeans an und geht für ein paar Stunden in den Kindergarten. Vielen Dank an die Erzieherinnen, die das immer so möglich machen!
Heute hat Heidi nun Geburtstag, aber davon weiss sie ja nichts. Es fühlt sich schon ein bisschen komisch an, aber andererseits hatten wir stattdessen einen herrlichen ersten Mai. Mit Eva und Marlene und Matilda und Torte und allem. Ein Dankeschön für alle Grüsse, Bloggkommentare, Bilder, Karten, e-Mails und Geschenke!
Heute früh dann also wieder in die Klinik. Es ist wieder ziemlich schlimm, die Nadel in Heidis Port zu kriegen. Da kann man einfach nichts machen.
Aber dann läuft alles recht gut und am Nachmittag erleben wir etwas richtig Tolles: Wir sehen Nanne Grönvall, eine der berühmtesten schwedischen Schlagerstars. Sie ist eine Patin von einer Stiftung, die schwerkranken Kindern einen grossen Wunsch erfüllt. Darum kommt sie heute zur Kinderklinik, um den Nachmittag mit dem kleinen tapferen Gustav zu verbringen, der schon vier Jahre gegen seinen bösen Gehirntumor kämpft. Ausserdem lädt sie alle Kinder und Eltern zu einem Plausch über Kaffee und Kuchen ein. Sie singt und tanzt auch ein bisschen. Berühmte Schlager, die Heidi oft vor sich hin trällert. Heidi ist ganz verdattert und genau wie vor einem Jahr, als wir zum Konzert mit Carola waren, scheint Heidi das Ganze ein bisschen merkwürdig vorzukommen. Ihr Erstaunen erreicht den Höhepunkt, als Nanne sich vor Heidi hinkutzt, mit ihr spricht, Heidis Wangen streichelt, ein Autogramm schreibt, uns viel Glück wünscht. Irre!
Dann kommt auch noch die Zeitung, schiesst jede Menge Bilder von Heidi, Nanne, Tim und mir und interviewt uns. Schon um sechs schläft Heidi ein. Sie ist nach all den Aufregungen des Tages und nicht zuletzt den starken Giften völlig groggy.



Freitag, den 4. Mai 2007 - total kaputt



Dienstag, den 8. Mai 2007
Wieder draussen! Hurra, hurra! Und es ging dieses Mal sogar recht schnell, nur vier Tage. Alles ist relativ, aber diese Chemo kann sich richtig hinziehen, wenn der MTX-Wert (der, wie Ihr wisst, unter 0,2 liegen muss, bevor man entlassen wird) einen zum Narren hält.
Heidis Wert war am Sonntag Abend jedenfalls 0,15. Um 20.45 Uhr hatte man die Probe entnommen. Da hatten wir so weit es geht alles gepackt. Hofften und hofften. Bitte, bitte - wir wollen so gern nach Hause! Während wir auf den Befund warten, versuchen wir, Heidi wach zu halten. Aber kurz vor 22 Uhr kann sie nicht mehr und schläft ein. Oj, so einfach wird das nun nicht, sie zu wecken. Totmüde und halbwach und dann muss die Nadel raus, na, das kann ja heiter werden. Darum hatten wir Heidi darauf vorbereitet, dass wir sie, obwohl sie gerade eingeschlafen sein wird, vielleicht wecken werden, um nach Hause zu fahren. Dieses zuckersüsse Versprechen muss dahinter gelegen haben, dass Heidi die Nadelprozedur zwar mit Unwillen aber doch schnell und ohne grösseren Kampf über sich ergehen liess. Und um 23 Uhr an diesem Abend lag sie dann in ihrem eigenen Bett und schlief. Schön!
Am nächsten Morgen Viertel nach sechs ist Heidi wach und voller Energie (woher wohl, fragen wir uns). Sie ist wie ein Sausewind. Nach dem Mittag kommen Jan und Heidi in die Schule und malen mit meiner 9. Klasse. Das hatte sich Heidi schon lange gewünscht. Aber damit nicht genug. Auf dem Heimweg halten sie auch noch bei Jans Arbeit an und trinken dort Kaffee.
Den ganzen Tag hüpft und tanzt Heidi durch die Gegend. Den ganzen Tag plappert sie davon, wie es morgen im Kindergarten wird, wenn man ihren Geburtstag feiert. Und den ganzen Tag proklamiert sie, dass sie nun schon so gross ist, dass sie im Prinzip selbst zurecht kommen kann. Das einzige Hindernis ist ihr Alter, diese blöde Fünf. Die macht alles kaputt, verrät ja ihr tatsächliches Alter. Oj, oj... Heidi ist gefährlich. Und lustig!
Am Abend will sie ohne Mama oder Papa zu Bett gehen. Und ohne Nuckel. Die würde sie ab jetzt nur noch im Krankenhaus haben (genau das, wovon wir schon ewig, aber leider ohne Erfolg reden, wenn es um die Nuckelfrage geht). Heidi kann aber nicht einschlafen und ich gehe zu ihr. Sie erzählt mir eine Geschichte, unterrichtet mich in Sachen Höflichkeit und plant den nächsten Tag, den sie sehr selbständig verbringen will. Eine Dreiviertelstunde später bin ich so fürchterlich müde und sehne mich so sehr nach meiner Ecke in der Couch, dass ich Heidi überrede, doch einen Nuckel in den Mund zu stecken, worauf sie zum Schluss dann endlich einschläft.
Heute früh erklärt Heidi, dass sie allein aufstehen und frühstücken wird. Wir hingegen sollen liegen bleiben und noch ein bisschen schlafen, damit wir ordentlich Kraft für den Arbeitstag hätten. Der Ernst in Heidis Stimme rät uns, ihren Aufforderungen ohne Einwände nachzukommen.
Heidi findet, dass sie heute ewig warten muss, bis wir zum Kindergarten fahren. Dann endlich gehen wir los. Mit zwei Kartons Eis am Stiel im Rucksack, jeder Menge Hummeln im Hintern und allem Glück dieser Welt im Herzen zieht sie davon. Ach, könnte ich je ohne sie leben?

Donnerstag, den 16. Mai 2007
Seit dem letzten Eintrag ist die Zeit wie im Fluge vergangen. Am Samstag hatte Heidi ihre heiss ersehnte Geburtstagsparty. Mehrere Tage lang hatten wir gebastelt und alles Mögliche vorbereitet. Heidi war sowohl mit den Vorbereitungen als auch mit der Feier mehr als zufrieden. "Ich vermisse sie jetzt schon." sagte sie, nur kurz nachdem sich ihre Gäste verabschiedet hatten. 


Vorgestern war dann schon die nächste Chemo, Nr. 27, dran. Nadel usw. war kein Vergnügen, aber das brauchen wir ja kaum noch zu schreiben. Schön war, dass wir am selben Tag wieder nach Hause können. Das gibt Heidi extra Kraft und zum ersten Mal seit langem schafft sie eine kleine Runde zur Spielthearpie.
Heidi weiss auch, dass bei ihrer Heimkehr Oma und Horst, die gerade aus Deutschland angekommen waren, mit noch mehr Geburtstagsgeschenken und Mengen von leckeren Bratwürsten warten würden. Heidi liebt Thüringer Bratwurst. Oma und Horst haben sich extra einen Autokühlschrank angeschafft, um den Spezialtransport der 50 Würste ordentlich abwickeln zu können. Verrückt!
Zum späten Nachmittag und Abend hin geht es Heidi schlecht und gerade zu Hause, noch vor der Haustür, muss Heidi sich trotz aller drei Anti-Übelkeit-Medikamente kräftig übergeben. Arme Kleine. Trotzdem soll Jan den Grill anzünden und eine knappe Stunde später beisst sie genüsslich in die erste Wurst, verspeist diese und dann noch eine halbe, nebst Brötchen wohlgemerkt. Also ungefähr so viel, wovon auch ich satt werde. Dann schläft sie ruhig und ohne Brechen die ganze Nacht.

Der gestrige Tag war dann etwas schwerer. Nichts will schmecken, gerade mal, dass Heidi Wasser runter kriegt. Sie legt sich viel öfter hin, als sie es sonst macht. Die ganze Zeit kontrolliere ich ihre Stirn. Ein bisschen warm ist sie. Bloss jetzt kein hohes Fieber. Die Vorstellung von noch mehr Tagen im Krankenhaus lässt mich erschaudern. Wir WOLLEN nicht mehr dahin. Diese ewige Unsicherheit! Wir haben die Nase so verdammt voll davon. Am liebsten würde ich wie ein Bierkutscher über diese elende Angst schwören.Zwischendurch geht Heidi immer mal in den Garten, um sich davon zu überzeugen, wie weit die Arbeiten an ihrem tollen Spielplatz voran geschritten sind. Sie hat nämlich von Jans Tante Inga-Maj ein tolles Klettergerüst, ein sogenanntes Jungle Gym, geschenkt bekommen. Heidis Freude ist gross. Auf dem Foto sieht man die erste Tour auf der Rutsche. Jan musste sie mitten im Bauen provisorisch anhängen, damit Heidi einmal proberutschen konnte. Geduld ist wirklich keine von Heidis grössten Tugenden.Am Nachmittag schläft Heidi mehrere Stunden. Das Fieber bleibt unter 38, aber die Frage, wo wir heute Nacht sein werden, ist noch lange nicht entschieden. 



Donnerstag, den 24. Mai 2007
Wie durch ein Wunder entkommen wir wieder mal der Klinik. Das Fieber ist nicht weiter gestiegen. Heidis Körper hat es wieder mal geschafft, das Elend abzuschütteln und hervor kam unser gewohntes Mäusel, froh und munter und guter Laune. So eine Erleichterung! Ihr macht Euch keine Vorstellung. Wieviel Spass hätte es gemacht, Oma und Horst zu Besuch zu haben, während Heidi zwecks Antibiotikakur in der Klinik ist? Ausserdem hätte unsere Festmaus den Geburtstag von Kindergarten freund Hugo verpasst. Ne, ohne Klinik war es doch viel besser.Die Tage vergehen und unter Jans und Horsts geschickten Händen wächst Heidis Jungle Gym hervor. Jetzt ist es im prinzip fertig und an Heidis Körper leuchten bereits einige prächtige blaue Flecken. Sie ist wie eine Wilde?Wenn die Werte es hergeben, haben wir nächste Woche The Final Count Down, d.h. die letzte Chemo. Sind wir wirklich so weit gekommen? Und wann werden wir nun eigentlich aus diesem schauerlichen Traum von Heidis lebensbedrohlicher Krankheit erwachen??? Aber nein, stimmt, es ist ja gar kein Traum. Wann werden wir das endlich begreifen? Werden wir es je verstehen?
 


Geschminkt und geschmückt - nun geht es zu Hugos Geburtstagsfest

Freitag, den 25. Mai 2007
Immer kann es leider keine Wunder geben. Und wenn die Chemos das Immunsystem vollständig in die Knie zwingen, wie es nun bei Heidi nach der letzten Chemo der Fall war, braucht man mit Wundern nicht mehr zu rechnen. Weisse 0,79 (normal 5,0 - 15,0) und neutrophile Granulozyten 0,12 (normal 1,5 - 8,0) - gestern kam das Fieber.
Erst ist Heidi im Kindergarten. Am Nachmittag fahren wir mit Marlene und Matilda nach Malmö, um das Geburtstagsgeschenk, dass Heidi von den beiden erhalten hatte, einzulösen. Sie darf ihren eigenen Teddy machen. Das Geschäft gibt es sicher auch in Deutschland. Man sucht sich ein ungestopftes Plüschtier aus, das wird dann mit Füllmaterial in Form gebracht, dazu kann man sich Kleidung und allerlei Zubehör aussuchen. Hauptsache, man hat die dicke Geldbörse dabei. Heidi ist angesichts des gigantischen Angebots total verstummt, entscheidet sich dann aber schnell für eine weisse seidenweiche Prinzessinnenkatze. Sie probiert der Katze ein glitzerndes Ballerinakleidchen und lila Sandalen an, entdeckt ein strassglänzendes rosa Täschchen sowie eine Nuckelflasche und eine Rassel. Nein, die Wahl fällt ihr wirklich nicht schwer. Marlene und ich kichern über Heidis Entscheidungen. Wir sind absolut nicht überrascht. Gold und Glitter...
Gerade von diesem Abenteuer zurück, bekommt Heidi recht schnell ansteigendes Fieber und um 20.15 Uhr checken wir in der Kinderkrebsstation ein, wo die gewöhnlichen Routinen eingeleitet werden. Bei der Untersuchung kann die Ärztin nichts weiter feststellen. Die Lunge ist in Ordnung. Hoffentlich hat Heidi keine böse Infektion. Wir werden sehen, was die Blutkultur ergibt.Nun bekommt Heidi jede sechste Stunde Antibiotika, intravenös natürlich. Die Medizin ist stark und Heidi wird schlecht davon. Alles, was sie trinkt, kommt wieder raus. Darum experimentiert man mit ein bisschen Anti-Übelkeit-Medizin. Arme Maus. Muss sie wieder in der Klinik und das richtige Leben auf Eis liegen. So ungerecht. Habe ich nicht gesagt, dass wir nicht mehr im Krankenhaus sein WOLLEN? Verdammt, so ein Elend aber auch.

Sonntag, den 27. Mai 2007
Es ist vier Uhr am Nachmittag. Wir sind nach einigen Stunden Ausgang gerade zurück zur Klinik gefahren. Es war herrlich, zu Hause zu sein. Heidi geht es gut. Am meisten leidet sie unter der blöden Nadel in ihrem Port. Mit einem rechten, den man nicht nutzen will, macht nichts so richtig Spass.
Die Ärzte haben erwähnt, die Antibiotikabehandlung nach fünf Tagen vielleicht abzubrechen, wenn die Blutkultur nichts ergeben hat. Bisher ist nocht nichts gesehen worden und es ist recht unwahrscheinlich, dass Heidi eine ernsthafte bakterielle Infektion haben soll. Fieber hat sie seit der Nacht zum Samstag jedenfalls nicht mehr gehabt, aber ihre Weissen sind sehr schlecht und die neutrophilen Granulozyten völlig weg. So, wann wird nun dei letzte Chemo sein? Vor der schweren Cisplatinbehandlung sollen die neutrophilen Granulozyten mindestens auf 1,0 liegen. Stellt sich die Frage, ob sie sich in ein paar Tagen so viel aufrappeln können. Das hoffen wir jedenfalls, um die letzte Chemo im direkten Anschluss an die jetzige Behandlung durchziehen zu können. Na, wir werden sehen...
Heidi lacht und scherzt mit Jan. Gleich kommt die Krankenschwester, um ihr die Infusion zu geben. In einer Stunde können wir wieder nach Hause fahren, um Abendbrot zu machen. Es tut uns gut, nach Hause zu kommen. Aber es ist schon ein komisches Gefühl, jedes Mal die Sanduhr umzudrehen, sobald man in sein Haus getreten ist, um dann die ganze Zeit den Sandstrahl im Auge zu behalten, der unbeirrt durch die schmale Öffnung rinnt, bis es wieder so weit ist, ins Auto zu hüpfen...

Dienstag, den 29. Mai 2007
Es ist 21.15 Uhr und auch heute Abend mussten wir zurück in die Klinik. Heidi bekommt ihre Antibiotikainfusion und wir schlafen wieder hier. Es geht ihr richtig gut. Aber es ist immer noch kein endgültiger Befund der Blutkultur gekommen und ausserdem sollen ihre neutrophilen Granulozyten noch etwas höher klettern, bevor man die Antibiotikakur beendet. Die Chemo können wir diese Woche vergessen, aber am Wochenende sind wir hoffentlich zu Hause. Dann werden wir tief einatmen und zwecks Nr. 28 nochmal in der Klinik einchecken.

"Wenn wir doch nur die ganze Zeit in Staffanstorp bleiben könnten und nicht mehr nach Lund fahren brauchten." sagte Heidi gestern. Ja, wir haben das ständige Pendeln wirklich leid. Heute Nachmittag, als wir zu Hause waren, hatte Heidi den Kanal dann richtig voll. Nun reichte es ihr aber, draussen ist Sommer und sie läuft mit Nickijacke und Hose herum. Das Umziehen, das sonst Kampf und Krampf bis aufs Ässerste bedeuten, wenn Heidi die Nadel im Port hat, war mit einem Mal ein Kinderspiel. Heidi wollte ein Sommerkleid und ihre Perücke tragen. Und Kette und Ringe und Mikrofon. Sie tanzte und sang und plötzlich sauste der sonst Tag und Nacht an den Körper gepresste rechte Arm durch die Luft. "Wenn ich aus der Schule komme, werde ich beim Schlager-Grand-Prix singen, damit mich alle im Fernsehen sehen können." verkündete sie. Na, jedenfalls sehr verständig, dass sie erst die Schule abschliessen will, nicht wahr?


Donnerstag, den 31. Mai 2007
Apropos Wunder: Chemo Nr. 28 hat begonnen! Heidi bekommt nun allen Annahmen zum Trotz ihre letzte Runde Chemogifte in direktem Anschluss an die Antibiotikakur. Schon gestern lagen ihre neutrophilen Granulozyten bei 0,67. Das hätte den Ärzten gereicht, um das Antibiotikum abzusetzten. Aber von der Blutkultur lag immer noch kein Befund vor.
Heute Vormittag fahren wir also wiede auf Ausgang. Heidi hat sich so nach dem Kindergarten gesehnt, dass ich kurzerhand die Erzieherinnen anrufe und frage, ob sie für ein paar Stunden kommen kann. Die Antwort lässt Heidi vor lauter Freude hoch hüpfen: Klar, kein Problem. Nun darf man nicht vergessen, dass sie immer noch Nadel und Schlauch hat. Im letzten Jahr hat sie unter der "Schwere" der Nadel eher wie ein kleines, altes, puckliges Weiblein ausgesehen. Jetzt würde sie sogar in den Kindergarten gehen. Alle Kinder durften sich die Ausrüstung auch mal aus nähester Nähe angucken. Alle Mädchen trauten sich, aber nur zwei Jungen, berichtete Heidi mit gewisser Kritik.
Halb zwei ruft die Klinik an. Die Blutkultur ist negativ, d.h. es konnten keine Bakterien nachgewiesen werden. Gut! Ausserdem seien Heidis neutrophile Granulozyten auf ganze 1,1 hoch geschossen - mit anderen Worten könnte Heidis Chemo also unmittelbar begonnen werden. Wenn wir wollten. Heute! In dieselbe Nadel! So ein Glück. Klar, wir hatten eigentlich damit gerechnet, am Wochenende endlich alle zu Hause zu sein und nun bekommen wir weitere vier Tage in der Klinik, aber dafür brauchen wir dann nächste Woche nicht noch mal von vorn anfangen. Ganz einfach w u n d e r bar!

Unwillkürlich schweifen unsere Gedanken zum Sonntag Abend und zu dem, was wir in unserem Gepäck haben werden, wenn sich die Tore der Kinderkrebsstation hinter uns schliessen. 28 Chemotherapien. Bald, bald...























RÜCKBLICK - APRIL 2007

Sonntag, den 1. April 2007

So, nun sind wir von der ersten Tour mit dem Wohnwagen wieder zurück. Die wunderbare Frühlingssonne hat rosige Tupfen auf unsere krankenhausbleichen Wangen von voriger Woche gezaubert. Phantastisch! 40 km weg von Waschmaschine und Staubsauger, Moos im Rasen, unmontierten Flurmöbeln und einem Haus, das nach Renovierung schreit, haben wir Zeit. Zeit für einander, Zeit für Heidi. Und eine Sache ist sicher: Heidi nutzt jede Sekunde mit uns, lässt keine Gelegenheit verstreichen, mit uns zu spielen. Das macht Spass. Gleichzeitig sind wir so schrecklich müde, hätten gern ein  bisschen länger in unseren Campingstühlen geschlummert. Ach, wir sind ja so langweilig.

Heidi geht es gut. Alles ist natürlich relativ. Es scheint, dass sich die Aus- und Nebenwirkungen der Chemos immer länger dahin ziehen, wenn wir erst mal zu Hause sind. In der vergangenen Woche fiel es Heidi oft schwer einzuschlafen und mehrere Male war ihr schlecht. Sogar gestern noch, eine ganze Woche nach abgeschlossener Chemo, musste sie brechen. Man kann sich fragen, in welchem Zustand die Magenschleimhäute sind. Oder besser gesagt Heidis ganzer Körper. Die letzte Chemo und alle Nachwirkungen haben ihr fast ein Kilo gekostet.

Aber nun ist nur noch eine Serie, also vier verschiedene Chemos, übrig. Jedes Mal, wenn Heidi einen Chemococktail kriegt, wird es der letzte seiner Art sein. Kann das wirklich wahr sein? Sind wir wirklich bald fertig? Wir haben gemischte Gefühle. Einerseits wollen wir die Chemos hinter uns bringen. Andererseits sind es ja die Chemos, die den Krebs bis jetzt auf Abstand gehalten haben. Wir haben Zeit gewonnen. Unbeschreiblich wertvolle Zeit. Aber wir sind irgendwie ganz schön am Ende und sehnen uns danach, endlich den Epilog des Chemokapitels schreiben zu können, auch wenn uns nach dem Abschluss dieser 28 Chemos eine in aller högstem Grade diffuse und vielleicht sogar düstere Zeit bevorsteht.

Donnerstag, den 5. April 2007 - FROHE OSTERN!

Zuerst ein Foto von gestern: eine glückliche Heidi 15 Minuten vor dem Blutabnehmen. Erst freuten sich eine Menge Rentner über unser süsses Osterweiblein (ist ein Brauch in Schweden), dann auch Marita und die anderen im Labor. Kein Problem, Heidi in den Finger zu stechen und das kleine Röhrchen mit Blut zu füllen - Marita konnte in Ruhe arbeiten, da Heidi völlig entspannt war.           



Heute sind wir in der Klinik, um Chemo Nr. 25 zu machen. Die letzten zwei Male, als Heidi Vincristin/Carboplatin bekam, hatte man den Spültropf abgesetzt und alles war in sechs Stunden erledigt. Jetzt sind die 24 Stunden Spültropf plötzlich wieder zurück, was eine Übernachtung bedeutet. Wirklich merkwürdig. Voll darauf eingestellt, dass wir bei dieser Chemo zu Hause schlafen würden, findet Heidi das überhaupt nicht gut. "Ich will nach Hause", sagt sie schon zur  Mittagszeit. Arme Maus.

Um sie zu trösten, schlagen wir vor, am Wochenende ein Fest zu feiern. Fest - ja, das ist Musik in Heidis Ohren, das mag sie. Hm, und wen sollen wir einladen? Die Cousinen Hanna und Elin aus Vara, findet Heidi.

Und das ist genau das, was wir gemacht haben, nur, dass das schon vor mehreren Wochen war. Morgen kommt die ganze Familie, mit Oma Greta als Bonus, zu uns. Das wird ein Spass, Heidi diese Nachricht zu überbringen... Bis dahin müssen wir hier die Zähne zusammen beissen und das ausstehen, was wir sowieso nicht ändern können. Die Chemos sind wichtig - dem Krebs wird keine Chance gegeben.


Montag, den 16. April 2007

Bei uns ist alles unter Kontrolle und alle Pläne haben geklappt - Heidis Cousinen und Oma waren über Ostern bei uns und Heidi war seelig. Spielkameraden in nächster Nähe - was gibt es Besseres. Und Heidi hatte sich auch danach gesehnt, endlich mal wieder in Omas Schoss zu sitzen.        
                           
                                                      


Dann eine wunderbar normale Woche. Sonnige Kindergartentage. Keine Sorgen. Kein Fieber. kein Krankenhaus. Sogar das Essen hat wieder gut geschmeckt.

Am Wochenende waren wir mit dem Wohnwagen unterwegs. Heidi hatte sich eine Tour zu Skånes Tierpark gewünscht und als Sahnetüpfchen hatten wir Tim, Marlene und Matilda zu Gast. Als wir gestern aufbrechen mussten, war Heidi enttäuscht. So oft hatten wir nun wirklich nicht im Wohnwagen übernachtet...

Morgen haben wir ein Jubiläum: der hundertste Stich in Heidis Fingerchen. Obwohl es eigentlich korrekter wäre zu sagen, dass es die hundertste Finger-Blutprobe ist, da es manchmal eines weiteren Stiches bedarf, wenn das Blut aus dem ersten Loch schlecht kommt.
Bleibt nur zuhoffen, dass Heidis Werte gut genug sind, um die nächste Chemo am Mittwoch zu beginnen. Wie die neutrophilen Granulozyten und Weissen aussehen, wissen wir nicht. Der Hb ist vielleicht in Ordnung. Heidi hat rosa Wangen. Aber wie es bei den Trombozyten aussieht, ist fraglich. Heidis Beine sind voller blauer Flecken. Klinik oder nicht? Morgen wissen wir mehr. Die kommende Chemo bedeutet viele Tage in der Klinik, darum fällt es uns wie immer schwer zu behaupten, das wir uns darauf freuen. Vor einer Weile haben wir mit Heidi darüber geredet und sie in  die Küche geschickt, wo unser (nunmehr kurzes) Massband hängt, um die ausstehenden Chemos zu zählen (Siehe Bild. Nur, dass es so am Anfang aussah. Laaaang. Nach jeder Chemo schneiden wir ein Zettelchen ab und kleben es auf eine Sektflasche). Von der Küche hörten wir Heidi: "Eins, swei, lei." Zurück im Esszimmer erklärt sie mit einer nonchalanten Handbewegung: "Lei mal. Das ist kein Lolem. Das schaffen wir!" Und freilich, das schafft sie, unser tapferes Mädchen.        

                                                                                                                                                                      


Donnerstag, den 19. April 2007

Schlimm, heute jagt man keinen Hund vor die Tür. So ein kalter Wind da draussen... Das wäre perfektes Klinikwetter gewesen, aber wegen Heidis schlechter Werte sind wir zu Hause. Nicht gerade eine Überraschung. Nach Nr. eins hatten wir schon früher lange Wartezeiten. Kann man nichts machen. Hoffentlich gelingt es irgendwelchen hässlichen Bakterien nicht, sich an Heidis derzeit äusserst magerem Immunsystem vorbeizumogeln.

Jan und ich werden wieder mal von noch grösserer Unruhe geplagt, Heidi von meiner Hand, die ständig auf ihrer Stirn liegt. Na ja, ihr Körper hat solche Situationen schon so oft geschafft, es wird auch dieses Mal gut gehen.


Freitag, den 27. April 2007
An der Chemofront ist es weiterhin still. Leider keine neuen Zettelchen für die Sektflasche. Heidis weisse Blutkörperchen klettern zum Glück sachte wieder nach oben und bis jetzt ist sie von ernsthaften Infektionen verschont geblieben. Jeden zweiten Tag müssen wir zum Blutabnehmen. Nervend, aber notwendig, um die kümmerlichen Trombozyten und roten Blutkörperchen im Auge zu behalten, die jeden Moment ins Nichts abrutschen können. Heidis Mittelfinger sind schon bald durchlöchert und jedes Mal, wenn wir die Klinik wegen den Befunden anrufen, erwarten wir, zur Transfusion bestellt zu werden. So sieht im Moment unser Alltag aus.
Gleichzeitig laufen Arbeit und Kindergarten weiter. Und da ist dann noch unser Herz, dass bei jedem Telefonsignal ein paar Schläge überspringt. Bloss nicht die Nummer vom Kindergarten. Die Vorstellung, dass Heidi hingefallen sein könnte und nun unaufhörlich blutet, lässt uns keine Ruhe. Aber was sollen wir machen? Wir können sie ja nicht anbinden. Leben ist gefährlich, versuchen wir uns zu beruhigen. Es ist so leicht, kluge Sprüche zu klopfen. Sich daran zu halten, ist eine ganz andere Sache. Heidi ist ein lebhaftes Kind und der Mangel an roten Blutkörperchen, eine erhöhte Müdigkeit und Ermattung, ist wie immer nicht zu bemerken. Sei vorsichtig, rufen wir ihr hinterher, wenn sie davon saust. Meint Ihr, dass das hilft?
Viertel nach eins erreiche ich endlich die Klinik und erhalte Heidis Befunde. Die Transfusion ist nun endgültig ein Faktum. Heidis Hb ist von Tag zu Tag gesunken und liegt nun bei 76. Genau wie das Meiste in unserem Körper ist das Hemoglobin sehr wichtig, da es den Sauerstoff von der Lunge in die Zellen transportiert. Die Zellen wiederum brauchen den Sauerstoff fur den Stoffwechsel und das gibt uns Energie. Eigenlich komisch, dass Heidi so fit ist. Morgen müssen wir also zu unserem Lieblingsort zum Tanken. Was für ein Samstag...
Aber wir haben den Sonntag, auf den wir uns freuen können. Da wollen nämlich unsere Freunde Johan und Helena aus Göteborg kommen. Zum ersten Mal dürfen wir sie mit ihrem kleinen Mädchen Linn sehen, auf das sie so lange gewartet haben und mit dem sie neulich von China nach Hause gekommen sind. Wir freuen uns wirklich wahnsinnig und Heidi kann es kaum abwarten. Mit diesen guten Aussichten wird es Heidi hoffentlich ein bisschen leichter fallen, die dumme Nadel zu ertragen. 

Samstag, den 28. April 2007
Halb elf sind wir im Krankenhaus, kurz darauf ist die Nadel in Heidis Port. Eine Stunde später sind wir wieder weg. Keine Transfusion, entscheidet die Ärztin. Die heutige Blutprobe zeigt nämlich, dass der Hb-Wert wieder nach oben tendiert. Weisse, neutrophile Granulozyten und Trombozyten waren schon vor einigen Tagen auf dem Anmarsch und nun brauchen wir vor der für Mittwoch geplanten Chemo nicht mal eine neue Blutprobe machen. Mittwoch, das ist ein Tag vor Heidis Geburtstag. Ziemlich dumm, dass wir an ihrem Geburtstag in der Klinik sind. Darum werden wir den Kalender ein wenig ändern, gesetzlos wie wir nun mal sind. Dieses Jahr fällt der dritte Mai ganz einfach auf den ersten. Perfekt! Die ganze Familie hat frei und wir können Heidis Geburtstag zu Hause feiern. Mit Torte und Kerzen, Geschenken und Luftballons statt Nadel und Schläuche, Metothrexat und Spuckbeutel.

RÜCKBLICK - MÄRZ 2007

Freitag, den 2. März 2007
Es war 20 Uhr, als wir gestern Abend aus der Klinik kommen. Ein langer Tag, aber doch schön, zu Hause schlafen zu dürfen. Nun liegt also eine weitere Chemo hiner uns - Nr. 23. Yes!
Die Nadel in Heidis Port zu stechen, ist wieder etwas schlimmer. Ausserdem muss Heidi noch einen Nierenfuntionstest über sich ergehen lassen, der zwei Blutproben vom Finger fordert. Die erste geht gut, die zweite ist eine Katastrophe (andere Schwester). Ansonsten verläuft der Tag ziemlich gut. Gegen Abend ist Heidi müde und hängt durch. Wir erzählen ihr von dem Geschenk, das zu Hause auf sie wartet. Spannend, findet Heidi. Das munter sie auf. Uns übrigens auch.
Ja, die grosse Kiste, die wir im Keller stehen haben, ist schon gut. Wann immer wir wollen, können wir etwas daraus hervorzaubern: eine süsse Barbiepuppe, eine coole Bratz, ein Paarrosa Ballerinaschuhe, ein glitzerndes Nachthemd, eine Schachtel Buntstifte, Modelliermasse... Hier gibt es fast alles. Verrückt. Nichts ist mehr, wie es mal war. Das ist das Haus der Gesetzlosen. Ein anderes Beispiel ist, was Heidi gestern zu sich nahm: ein Brot - gut. Ausserdem 2 x 43 Gramm Milchschokolade, 2 x 40 Gramm Chips und eine Capri Sonne. Kalorien um jeden Preis. Frohe Eltern, wenn die Chipstüte prasselt. Unglücklicherweise geht es Heidi in der Nacht nicht gut und alles kommt wieder raus. Trotz Dreifachkombination "Anti-Übelkeit-Medizin".
Nun hoffen wir auf eine infektins- und fieberfreie Woche sowie akzeptable Blutwerte, damit auch die nächste Chemo bald abgehakt werden kann.

Sonntag, den 11. März 2007

Heidi hatte eine super Woche. Es ging ihr prima. Kaum noch Husten, kein Fieber, guter Appetit und Schlaf. Keine Zeichen von Müdigkeit, nicht mal, als sie am Donnerstag bis um vier im Kindergarten blieb. Der Tag, an dem wir uns von unserem guten Freund Robban verabschieden mussten.
Heidi fragt viel. Robban tut ihr leid. Wisst ihr auch wirklich ganz genau, dass es ihm nichts fehlt? Ist er nicht einsam im Himmel? Hat er es gut da? Obwohl wir überhaupt nicht religiös sind, fühlt es sich gut an, Heidi ein märchenhaftes und ruhiges Bild vorzumachen, ein Bild von flauschigen Wolken, auf denen man ruhen kann, Flügel, die einen überall hintragen, Geschäfte, wo alles kostenlos ist. Ein Bild von einem unbeschwerten Dasein. Wo alle einander kennen. Spielen, reden, sich treffen, füreinander da sind. Ohne Ängste, ohne Schmerzen.
Wie gesagt, Heidi soll vor dem Tod keine Angst haben. Und wir eigentlich auch nicht... Die unruhigen Gedanken und bösen Ahnungen sind da. Trotz Optimismus. Heidis Krebs ist hartnäckig. Rückfälle sind eher die Regel als die Ausnahme und leider ist die Prognose bei Ependymom nur 50 Prozent. Wir wissen nicht, auf welcher Seite Heidi sich in einigen Monaten, in einigen Jahren befindet. Der Glaube an den Himmel, wo Heidi bei Opa Berndt, Robban und den anderen Engelskindern sein kann, ist unser Trost, wenn Furcht und Schmerz angeschlichen kommen. Der Trost hilft uns, zu etwas heiteren Gedanken und nicht zuletzt zum Leben in Gegenwart und Hoffnung zurückzufinden.

Sonntag, den 18. März 2007
Aus der geplanten Chemo wurde diese Woche nichts. Die neutrophilen Granulozyten und die Weissen waren zu schlecht, ergab die Blutprobe von Mittwoch, die Heidi ohne mit der Wimper zu zucken hiner sich brachte.

Man merkt Heidi an, dass es ihr sehr gut geht. Sie hat richtig rosige Wangen. Dass sie jetzt zum Ende der Behandlung hin müder ist, haben wir nicht festgestellt. Nur wir Eltern sind ständig müde. Jetzt müssen wir erst mal abwarten, ob die Chemo nächsten Donnerstag gemacht werden kann.




Auf dem Foto Heidi beim Spielen mit einem der neuesten Wüstenrennmausbebies.


Donnerstag, den 22. März 2007
Heute sollte a) Jan Geburtstag haben und b) Heidis Chemo Nr. 24 beginnen. Und ratet mal, was passiert? Ja, doch, Jan hat Geburtstag, das klappt. Aber alles andere geht schief.
Es beginnt damit, dass die Befunde der gestrigen Blutprobe erst halb vier am Nachmittag kommen. Unfassbar. Da vergeht der ganze Tag ohne dass wir eine Ahnung haben, was am nächsten Tag nun abgeht. Wir dachten schon, dass sie die Probe irgendwie verbummelt hatten, dass wir nun mit einer nach dem Kindergarten recht müden Heidi nach Lund fahren müssten, um nochmal Blut abzunehmen. Aber schliesslich kamen die Werte doch noch. Weisse 6,6, neutrophile Granulozyten  5,1- da ist doch irgendetwas faul. Einfach zu gut, um von einem Chemopatienten zu kommen. Eher also ein Zeichen einer beginnenden bakteriellen Ininfektion.
Ja, und dann geht's auch schon los. Erst kommt erst die Unruhe, dann das Fieber. Wir brauchen nicht bei Nacht und Nebel in die Klinik, aber am Morgen hat Heidi 38,8.
In der Klinik wird Heidi dann erst mal untersucht - sie hat Schnupfen, aber sonst fehlt ihr nichts. Dann Lungenröntgen. Und die typische Nebenwirkung: die Warterei. Die Lunge ist in Ordnung. Schwester Lisa steckt die Nadel in Heidis Port, schlimm aber doch reltaiv erträglich. Eine Blutkultur wird begonnen. Heidis weisse Blutkörperchen und die neutrophilen Granulozyten  haben sich seit gestern verdoppelt. Aber das Fieber steigt nicht übert 38,5 und Heidi ist verhältnismässig munter.  Um Zeit zu gewinnen wird der Tropf mit der zweistündigen Prähydrierung begonnen, obwohl noch nicht feststeht, ob Heidi Antibiotika oder Chemo bekommen soll.
Es ist sechs Uhr. Heidi ist sehr müde, aber Gesang und Spass kann sie immer vertragen, weshalb wir zur grossen Eingangshalle der Kinderklinik gehen, wo eine Clownshow stattfindet. Als wir zurückkommen, warten die Chemogifte auf Heidi. Oh, das hättern wir nicht gedacht. Aber Doktor Jesper war überzeugt: keine Antibiotika sondern Chemo. Und damit beginnen also 48 Stunden Cisplatinhölle, die schlimmste der vier verschiedenen Chemos von Heidis Behandlungsprogramm.     

Sonntag, den 25. März 2007 - Teil I
Es ist halb zwei. Die Zeit kriecht dahin. Wir versuchen durchzuhalten. Heute ist der vierte und somit letzte Tag und heute Abend können wir ja nach Hause fahren. Noch sechs Stunden...
Heidi ist total k.o. und liegt die ganze Zeit in ihrem Bett. Heute schafft sie nicht einmal fernzusehen. Die Chemo hat ihr hart zugesetzt. Heidi ist übel, aber ihr Magen ist nun völlig leer. Sie muss brechen, aber es kommt nichts mehr. Scheusslich.
Heute früh war Heidi ganz wild. Irgendetwas stimmte mit ihren Augen nicht. Da sie so traurig war und weinte, konnte ich kaum verstehen, was eigentlich los war. Wahrscheinlich bekam sie ganz plötzlich irgendeinen Schleier vor die Augen, vielleicht konnte sie auch eine Weile überhaupt nichts sehen. Wohl eine Nebenwirkung des Cisplatins oder eines "Anti-Übelkeit-Medikaments". Heidi war völlig verzweifelt und hatte Angst. Schlimm, was sie alles durchmachen muss. Und ich konnte nur hilflos daneben stehen. Verdammt, wie ich das hasse. Kann niemand uns von hier wegzaubern?
Da draussen vor dem Fenster ist es Frühling. Das bemerkte Heidi gestern und machte einen Plan. So bald wir von hier weg sind, will sie ihre Gummistiefel sowie Eimer und Schaufel einpacken und an den Strand fahren. Sonne, Sand und Wasser - vielleicht nicht heute Abend, aber morgen ganz bestimmt. Das wird Spass machen! Noch sechs Stunden...

Sonntag, den 25. März 2007 - Teil II
Wieder zu Hause, Sehnsucht nach dem Sommer...



Dienstag, den 27. März 2007
Bild von gestern - Heidi am Strand. Das hat sie genossen...
Und übrigens vielen Dank an Euch "da draussen" für alle Kommentare und Grüsse. Und ja, Heidi ist ein Kämpfer. Sie wird es schaffen! Aber sie hat einen langen, langen Weg vor sich. Bisher 16 Monate, das ist vielleicht nur ein Bruchteil. Wer weiss. Aber sie wird es schaffen!



RÜCKBLICK - FEBRUAR 2007

Donnerstag, den 1. Februar 2007
Überraschenderweise haben Heidis Werte seit Dienstag plötzlich einen Rückzieher gemacht. Also gab es gestern keine Chemo, obwohl wir so darauf eingestellt waren. Mist. Nun ist "nur" noch ein Viertel von den 28 Chemos übrig. Wir sehen einen Lichtpunkt am Ende des Tunnels, wollen vorwärts kommen, zählen Wochen und machen Berechnungen, wann die 28 Chemos überstanden sind. Aber das ist keine simple Mathematik, da Heidis Blutwerte uns immer wieder einen Strich durch die Rechnung machen können. Je mehr uns das Licht im Tunnel in der Nase kitzelt, desto schwerer werden die Chemos für Heidi. Der Körper kann ganz einfach nicht unbegrenzt gestriezt werden, die Schäden am Knochenmark, wo das Blut "hergestellt" wird, machen sich immer mehr bemerkbar. Wir können nur abwarten und sehen, wie lange dieses letztes Viertel dauern wird. Wie immer müssen wir es nehmen, wie es kommt.

Heidi ist bester Laune und freut sich trotz Husten und Schnupfen des Alltagslebens. Nur ihr Geschmackssinn scheint sich mal wieder völlig verirrt zu haben. Nichts schmeckt. Darum schiessen wir scharf -  mit Sahne in der Milch, die Heidi aus der Nuckelflasche trinkt. Wir kämpfen um jede Kalorie, fühlen uns aber doch relativ ruhig. Es wird klappen. Heidi wiegt jetzt fast zwei Kilo mehr als vor 14 Montaten, als die Reise begann. Kürzlich kramten wir Heidis Buch raus, in dem seit ihrer Geburt Notizen über ihren Entwicklungsstand gemacht worden sind. Da zeichneten wir die aktuellen Punkte in die Kurven von Gewichts- und Körpergrösse ein und konnten feststellen, dass Heidi ganz richtig liegt. Mitten auf der dicken "Normal"-Linie. Ziemlich toll, wenn man bedenkt, was sie durchmacht.


Dienstag, den 6. Februar 2007
Munter, gutgelaunt und immer einen Streich auf Lager - Heidi geht es gut. Am Freitag geht sie mit vier anderen Kindern und zwei Erzieherinnen vom Kindergarten in die Schwimmhalle zum Baden. Unsere kleine Wasserratte Heidi ist schon am Abend vorher überglücklich. Ebenso am Samstag, als Robban, Marlene und Matilda zu uns zum Essen kommen - in Heidis Augen immer wie ein Fest.
Bei der Blutprobe heute Vormittag bleibt die ganze Arbeit im Labor für eine Weile liegen, da Heidi das gesamte Personal mit ihrem ununterbrochenen Redeschwall unterhält und ihre neue Polly Pocket vorzeigt. Von Marita bekommt sie einen kleinen Teddy. Das ist nicht das erste Mal, dass Marita ihr etwas schenkt. Die Frauen im Labor tun wirklich alles, dass wir sie eines Tages, wenn keine Blutproben mehr notwendig sind, richtig vermissen werden.
Eigentlich hätten wir heute kaum die Befunde gebraucht, um zu wissen, dass aus der Chemo diese Woche nichts wird. Heidis Körper spricht eine deutliche Sprache. Ein ziemlich bleiches Gesicht, grosse blaue Flecken an den Beinen, Blut am Toilettenpapier, obwohl der Stuhlgang gar nicht hart ist usw. Die Nummer eins der Serie, Vincristin und Carboplatin, hat Heidis Knochenmark wieder mal hart angegriffen. Weisse Blutkörperchen und die neutrophilen Granulozyten  haben sich zwar erholt, aber die Blutblättchen (normalerweise 140 - 400) sind auf lächerliche 13 gesunken. Der bisher niedrigste Wert. Die roten liegen mit 72 auch ein grosses Stück unter dem Soll von mindestens 100. Darum wird Heidi morgen eine Transfusion bekommen. Das dauert nur einige Stunden, aber die Nadel muss ja in den Port. Kann man nichts machen...

Auf dem Foto Heidi mit einer von Tims Wüstenmäuse, die sie Schneewittchen getauft hat.




Mittwoch, den 7. Februar 2007
Es ist halb sechs und wir sind wieder zu Hause. Die Nadelprozedur ging heute ganz gut. Vor allem beim Herausnehmen war Heidi sehr tapfer. Sie hatte sich seelisch voll darauf vorbereitet und auf dem Weg zum Behandlungszimmer plapperte sie die ganze Zeit, dass es ja schnell gehen würde.
Als wir heute zum Krankenhaus kommen, erfahren wir, dass Heidi nicht nur eine Transfusion mit roten Blutkörperchen, sondern auch Blutblättchen bekommen sollte. Der Wert 13 war ganz einfach zu schlecht. Die Blutblättchentransfusion geht schnell, aber auf die Roten müssen wir mehrere Stunden warten. Also wieder mal so ein zäher Nachmittag.

Nun guckt Heidi fern und isst frischgebackene Waffeln mit Puderzucker - tolles Abendessen, nicht wahr? Vollgetankt mit frischem Blut reicht ihre Energie sicher eine Weile länger als unsere. Na ja, es geht ihr gut, das ist das Wichtigste. Und nun kann sie nächste Woche Dienstag hoffentlich die nächste Chemo kriegen.


Mittwoch, den 14. Februar 2007

Seit gestern sind wir in der Klinik. Die Werte von Montag brachten uns nicht gerade zum Jubeln, aber die Ärzte wollten die Chemo trotzdem durchziehen. Heidi verdaut den Bescheid mit Fassung. Sie ist so tüchtig, so verständig, diese kleine Person. Hat eine solche Einsicht in die Notwendigkeit dieser gottverdammten Chemogifte. Genau wie wir sehnt sie sich wie wild nach einem Ende dieser 28 Chemos, streckt ihre Finger hoch, um zu zeigen, wie viele Male noch übrig sind. Wir reden so oft darüber.
Die Chemo dieser Woche heisst Metothrexat, von dem Heidi gestern erst 100 ml in einer Stunde und dann 500 ml in 23 Stunden bekam. Heute Nachmittag war das dann fertig. Heidi bekam auch alle drei "Anti-Übelkeit-Medikamente". Es gibt, genau wie die Ärzte versprochen hatten, keine Diskussionen mehr und Heidi geht es den Umständen entsprechend gut. Nur einmal musste sie bisher brechen. Heute früh war auf der Station viel zu tun und Heidi bekam ihr  "Zofran" (eines der "Anti-Übelkeit-Medikamente) eine Stunde später als der Plan vorgibt. Schwer zu sagen, ob das der Grund des Brechens war. Na ja... Am wichtigsten ist es, dass es ihr, wenn auch ziemlich schlecht, doch allgemein bedeutend besser geht als bei der letzten Metothrexatchemo, als die Ärzte das dritte Medikament nicht verabreichen wollten. Es ist mit Sicherheit trotzdem schwer, Heidi ist sehr schwach und liegt meistens in ihrem Bett, aber wir können mit ihr reden und auch mal einen Spass machen. Heute war sie sogar eine ganze Stunde aus dem Bett, um einen Clown zu sehen, der im Foyé der Kinderklinik seine Show abzog. Trotz allem also ein Mädchen, das nicht total auf dem Abstellgleis stehen will. Ihre Lebenslust ist einfach beneidenswert!

Nun am Abend sind alle Kinder und Eltern zum Valentins-Essen auf der Station eingeladen. Auch das will Heidi nicht verpassen. Ihr solltet bloss sehen, wie sie die Zähne zusammen beisst, wie sie kämpft, wenn wir sie in ihrem Bett aufrichten wollen, um sie dann in ihren Wagen zu setzen. Nur das Aufrichten im Bett kann mehrere Minuten dauern. Auf der Feier isst Heidi sogar einen halben Hamburger und trinkt Fanta. Heidi, unsere Festmaus und Ästhet, freut sich über die roten Girlanden an der Decke und die mit glänzenden Herzen und vielen, vielen Teelichtern wunderschön geschmückte Tafel.


Sonntag, den 18. Februar 2007
Gestern, kurz vor dem Mittagessen, kam ein herrlicher Bescheid: der MTX-Wert war 0,12 - also nichts wie einpacken und nach Hause fahren. Noch eine Chemo hinter uns, Heidi erschöpft und schwach auf den Beinen, aber überglücklich.
Wir haben gerade die Taschen im Korridor abgestellt, als Marlene anruft und uns einen ganz anderen Bescheid gibt, ausserhalb aller Möglichkeiten, die Worte zu begreifen. Marlenes Robban ist heute früh völlig überraschend gestorben. Unser Robban, dessen Name in meinen Erzählungen hier in Heidis Blogg immer wieder mal auftaucht. Unser bester Freund und Kumpel. Heidis geliebter Kletterbär. Es ist so unfassbar, tut so weh und will einem einfach nicht in den Kopf. Unmöglich zu verstehen. Unser Robban, nur 44 Jahre alt. Welch ein Verlust!
Seit 18 Jahren Jans Arbeitskollege, für Tim ein wunderbarer Kumpel. Nur wegen Robban blieb Tim oft lieber zu Hause, wenn wir "Alten" einen Abend gemeinsam verbrachten. Robban, der Bruder von meiner besten Freundin Eva. Immer eine helfende Hand, eine lustige Gesellschaft, ein fester Punkt. Ein Schlag auf die Schulter, ein verschmitztes Lächeln und ein "Pfeiff doch drauf, ist genauso gut." als mein Leben im Januar 1999 in tausend Scherben zerfallen war. So ist er, unser Robban. Wir werden dich so vermissen. Was wird nun aus deiner Familie, wie sollen deine vier Mädchen zurecht kommen...

Das ist Heidis Blogg, aber ich muss ganz einfach über das alles schreiben. Wir stehen voll unter Schock. Ein gähnendes Loch ist entstanden. Das tut so weh. Wie dünn doch der Faden ist, an dem unser Leben hängt.


Tim (im hellblauen Hemd), Marlene, Robban, meine beste Freundin Eva,
Tims Kumpel Martin sowie Björn und Jan zu Tims 20. Geburtstag am 19. August 2006


Donnerstag, den 22. Februar 2007
Das Leben geht weiter, unbeirrt. Kümmert sich nicht um unser Flehen, eine Weile anzuhalten, ein bisschen Zeit für Gedanken und  Besinnung einzuräumen. Manchmal fragt man sich, wie man alles aushalten soll.
Erst am Sonntag Vormittag erzählen wir Heidi, was eigentlich mit Robban passiert ist. Wir wissen es ja noch nicht, aber sagen jedenfalls, dass Robbans Herz kaputt gegangen ist. Heidi weiss ja so viel über den Körper. Und unsere kleine Maus wird so traurig. Weint, überlegt, zieht die Schlussfolgerung, dass Robban nun also im Himmel ist. Sie vergleicht Opa Berndts Tod mit Robbans. Beruhigt sich, versucht Lösungen zu finden, sich selbst und uns zu trösten. "Doch, doch. Marlene und die Mädchen schaffen das schon. Ihr werdet sehen."
Dann läuft sie schnell zu Tim. Wir hören, wie sie ihm von Robban erzählt und dass er in den Himmel gekommen ist. "Ich will auch, dass mein Herz kaputt geht. Dann komme ich auch in den Himmel und kann bei Robban sein." erklärt sie.
Tim kriegt einen Schreck, aber Jan und ich sind eher erleichtert. Heidi soll keine Angst vor dem Tod haben. Was wissen wir schon, was das Schicksal in Heidis, in unsere Reisetasche gepackt hat. Was wissen wir?
Die ersten Tage dieser Woche weicht Heidi nicht von unserer Seite. Wir begegnen etwas ganz Neuem: Sie will nicht in den Kindergarten gehen sondern lieber bei uns bleiben. Sie fühlt sich wegen unserer starken Reaktionen auf Robbans Tod, der schwermütigen Stimmung, unseren Seufzern und Tränen bestimmt unsicher. Ach, arme Maus. Aber was sollen wir machen? Wir müssen ihr ja die Wahrheit sagen.
Zum Glück kommt Heidi schnell auf andere Gedanken. Kinder - Überlebenskünstler. Heidi will mit ihren Kindergartenfreundinnen Emma und Amanda Geheimklubbstreffen machen. Na klar, machen wir. Am Dienstag nach dem Kindergarten sitzen drei glückliche Mädels in meinem Auto, die Spannung schlägt Funken, es gibt Mitgliedskarten und Eintrittsbeweis auf die Hand, Prinzessinnenkleider und Schmuck, lila Servietten und rosa Champagnegläser, Popcorn und Chips, Eis und Bonbons. Na ja, schliesslich ist ja nicht jeden Tag Dienstag.



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