RÜCKBLICK - JUNI 2007

Mittwoch, den 6. Juni 2007
Ja, nun ist es also vorbei. Die Schwestern servierten keinen Sekt und niemand schüttete Goldkonfetti über uns aus. Keine Reporter, die mit ihren Mikrofonen herumwedelten, keine Blitzlichter, die unsere Augen blendeten. Am 3. Juni 2007 um 21.00 Uhr war es vor der Kinderklinik in Lund still und schön. Es war immer noch ein bisschen sonnig und es fühlte sich eigentlich ungefähr so wie die anderen 27 Mal an, wenn wir nach Hause gefahren sind: Schön.
Für Heidi war es doch bedeutend mehr als einfach nur schön. Wir waren gerade ins Haus gekommen, da stürzte sie schon an ihr Schubfach, um eine Schere herauszuholen und den letzten Zettel abzuschneiden. Im Handumdrehen war er auf die Sektflasche geklebt. Sie war so geladen, so glücklich! Dann durfte sie den Draht von dem Sektkorken abdrehen und der flog auch richtig durch die Küche. Toll! Die Zungenspitze in den Schaum getaucht, brrrr! Mineralwasser schmeckt doch besser. Ein Glück...
Ja, alles war genau so, wie wir es uns immer wieder vorgestellt hatten. Ein langgezogenes, aber glückliches Ende von 28 Chemotherapien. Fast 17 Monate. Wir finden, dass Heidi nach all diesen Giften und Medikamenten in einem erstaunlich gutem Zustand ist. Am Donnerstag, dem 14. Juni wird eine abschliessende Untersuchung stattfinden. Man wird u.a. das Skelettalter bestimmen (Röntgen der Hand), einen Nierenfunktionstest und eine MRT von Schädel und Rücken durchführen. Drückt die Daumen, dass allles in Ordnung ist. Wir brauchen wirklich eine Atempause, müssen uns ein bisschen erholen. Wenn es auch nur für drei Monate bis zur nächsten MRT ist.
Die Ärzte sind im Allgemeinen schwer zu deuten und reagieren mit einem merkwürdigem Gesichtsausdruck, wenn man nach Heidis Aussichten bohrt. Sie haben wohl ganz einfach keine Antwort. Wir werfen ihnen das auch nicht vor. Sie machen und geben alles, was sie könenn und haben. Bisher haben wir ein und ein halbes Jahr bekommen. Eine schwere Zeit, aber doch mit einer gewissen Lebensqualität. Das vergessen wir nicht.
Selbstverständlich wünschen wir uns nichts mehr auf der Welt, als das alles vorüber ist, aber leider ist die Wahrscheinlichkeit nicht so hoch. Ependymom ist ein sehr bösartiger Krebs, der stark dazu neigt, wieder zu kommen. Es wird gesagt, dass er ohne Strahlung nicht zu besiegen sei.
Aber wie gesagt, jetzt werden wir nicht destruktiv sein und an Rückfall, Strahlung und alles, was passieren kann, denken. Jetzt werden wir jeden Tag und das Leben geniessen. Nochmals vielen Dank an Euch alle da draussen für alle Grüsse, Briefe, Päckchen...









Mittwoch, den 13. Juni 2007
Vielen Dank für alle Gratulationen! Ihr macht Euch keine Vorstellung, wieviel Heidi das Ende der Chemos bedeutet und wie froh sie darüber ist, die starken Gifte nicht mehr zu kriegen. Dass es keine Krankenhausnächte mehr gibt, können wir Heidi allerdings nicht versprechen, da wir den Rest des Jahres bei Fieber immer noch auf die Kinderkrebs-station müssen. Ein halbes Jahr wird notwendig sein, um Heidis Immunsystem wieder auf die Beine zu bringen und in dieser Zeit ist weiterhin Vorsicht geboten. Eventuelles Fieber muss ernst genommen und untersucht werden. Aber ehrlich gesagt, sind wir deswegen nicht allzu beunruhigt. In all den 17 Monaten gerade mal drei Antibiotikakuren, nicht eine einzige Lungenentzündung, Blutvergiftung oder etwas anderes Schlimmes, obwohl die Weissen und neutrophilen Granulozyten mehrmals richtig schlecht waren... Alles ist so gut gelaufen, warum sollte das jetzt anders sein. Wir sind zuversichtlich.
Tja, wisst Ihr, es ist eben nie zu früh "Hurra" zu schreien. Denn was wissen wir schon, was morgen kommt? Genauso gut, dass wir uns heute freuen, wenn alles gut ist. Heute hat Heidi keinen Rückfall. Was morgen ist, wissen wir nicht. Aber heute ist es nicht so. Heute geht es Heidi super. Wir schauen sie an und sehen ihre grenzenlose Lebensfreude und ihren starken Charakter und ihren wohlgeformten Körper (der 10 cm und 2,5 kg gewachsen ist). Wir sind so stolz. Heute bilden wir uns ein, dass sie genau wie jede andere fünfjährige Göre ist. Vielleicht ein bisschen klüger, ein bisschen geschickter und ein bisschen besser. Sie ist ja unsere Tochter...
Morgen erwarten uns, wie bereits berichtet, einige Untersuchungen. Mit einer MRT von Schädel und Rücken geht es los. Die Gedanken drehen sich im Kreise und an den letzten Abenden war es schwer einzuschlafen. Hoffentlich finden sie nichts! Verdammt, diese ewige Angst, dieses ewige "Was, wenn..."
Vermutlich ist alles in Ordnung und um halb vier, wenn schliesslich auch noch das Gehör überprüft worden ist, werden wir nach Hause fahren, um ein paar Sachen zu packen und Heidi unsere Überraschung zu verraten: Am Freitag wird die ganze Familie nach Dänemark zu Legoland fahren. Die Kinderkrebshilfe lädt ein. Mit jeder Menge anderen Kindern mit dem Bus fahren, im Hotel übernachten und sich zwei Tage im Legoland tummeln - das wird unserer Maus zweifelsohne gefallen. Auch wenn wir Eltern sehr geschafft sind und uns am liebsten nur ausruhen und faulenzen wollen, wird es sicherlich viel Spass machen. Die Abwechslung und Unterhaltung wird auch uns gut tun. Es ist sicher nicht so gut, einfach wie ein Sack zusammen zu fallen. Aber leicht passiert, denke ich mal. So, fertig für heute, nun drückt fest die Daumen!

Donnerstag, den 14. Juni 2007
Alles klappt gut und Heidi ist ein sehr tüchtiges Mädchen. Das MRT-Team besteht aus wohlbekannten Gesichtern. Sie wissen genau, wie man Heidi behandeln muss, damit sie ruhig und entspannt ist. Unter kompetenten Händen gehen Narkose und Untersuchung wie geschmiert. Auch auf der Aufwachstation geht alles prima. Heidi ist schnell wieder da und man braucht kaum irgendwelche Kontrollen zu machen.
So weit wir wissen, sind keine grossen Geschwüre zu sehen. Mehr werden wir hören, wenn die Ärzte ihre Tumorbesprechung abgehalten haben. Ich nehme an, dass sie nicht so viel sagen werden, wenn die MRT-Bilder in Ordnung sind. Keine Nachrichten sind in den nächsten Wochen also gute Nachrichten.
Doktor Helena untersucht Heidi sorgfältig. Sie kommentiert nicht so viel. Alles scheint so zu sein, wie es sein soll. Die Reflexe in den Beinen sind völlig weg, ganz normal, wenn das Rattengift Vincristin im Bilde war. Es kann mehre Jahre dauern, bis die Reflexe wieder richtig da sind. Etwas besser zu hören war, dass wir in den kommenden Monaten wohl nicht ständig zum Blutabnehmen rennen müssen, wie wir es befürchtet hatten. Sobald die Werte die richtige Tendenz aufweisen, reicht es. Herrlich!
Für den Nierenfunktionstest werden Heidi zwei Blutproben über den Finger entnommen. Das macht sie heute glänzend. Schon am Abend vorher, als Heidi und Jan den Tagesablauf für heute durchgingen, hatte Heidi sich entschieden, die zwei Proben gut zu überstehen. Und so ist es dann auch. Toll!
Gerade, als wir zum Handröntgen los wollen, bekommt die Schwester einen Anruf vom Labor. Da hat man das zweite Röhrchen mit Heidis Blut fallen lassen, wobei der Verschluss abging und das Blut auf den Boden lief. Als Viveka Heidi vorsichtig fragt, ob sie denn noch eine Probe machen kann, sehen wir uns ein wenig beunruhigt an. Aber Heidi trägt es wie ein Mann und sagt schnell: "Das macht nichts." Aha, also wieder zum Behandlungszimmer und den dritten Finger ausgestreckt. Auch dieses Mal verzieht Heidi keine Miene.
Am Nachmittag können wir uns nicht mehr beherrschen und erzählen Heidi von der Reise ins Legoland. So ein Spass! Heidi, die heute wirklich froh und munter ist, wird noch froher und noch munterer. Sie ist einfach ein Schatz.


Samstag, den 23. Juni 2007



Legoland war super, wenn auch sehr feucht. Freitag war okay, aber den ganzen Samstag regnete es ununterbrochen. Wir hatten viel Spass und fuhren bis zum Umfallen Karussell. Wir kamen mit vielen schönen Erinnerungen nach Hause, Heidi und ich ausserdem noch mit einer Erkältung.
Na ja, das kommt vor. Nur, dass wir nun wieder die ganze Woche vor dem blöden Fieber Angst hatten, da Heidis Weisse und neutrophile Granulozytenbei der Åprobe vom Mittwoch recht schlecht waren. Aber bis jetzt ist alles gut gegangen und wir hoffen, dass die neutrophilen Granulozyten nächste Woche auf 1,0 klettern. Das würde bedeuten, dass Heidi nicht mehr so infektionsgefährdet ist, dass wir keine Blutproben mehr machen müssen und somit endlich mit dem Wohnwagen losfahren können. Wir sehnen uns nach einer richtig langen Reise, nachdem wir voriges Jahr immer nur für ein paar Tage und im Radius von 50 km wegfahren konnten.

Am Mittwoch wird Heidi für ein, zwei Stunden von einem Neuropsychologen in die Mangel genommen, um ihre geistige Entwicklung zu überprüfen. Einen solchen Test hatte man auch vor der ersten Operation im Dezember 2005 durchgeführ. Wird spannend. So schlecht kann es eigentlich nicht bestellt sein, wenn man an Heidis leuchtende Einfälle denkt, die sie uns hin und wieder auftischt.
Wie zum Beispiel vor einiger Zeit, als Jan auf der Strasse von einem Mann nach dem Weg zur Zentralschule gefragt wurde und Heidi wissen wollte, wer dieser Mann gewesen sei. Jan spekulierte, dass das vielleicht der Lehrer war, den Heidi eines Tages haben würde, wenn sie in die Schule kommt. Worauf Heidi sagte:"Aber ich werde keinen Lehrer haben. Ich werde der Lehrer sein!" Oder heute, als wir ein Spiel spielten und Heidi und Jan sich nicht über die Regeln einigen konnten. Da drohte Heidi damit, ihre Taschen zu packen und wegzufahren. Nach England. Eine Drohung, die wir anderen in der Familie einstimmig als zehn Jahre verfrüht betrachteten. Na ja, ich durfte jedenfalls mitfahren und auch Tim, der als Reiseziel Legoland vorschlug. "Nein, nein", sagte Heidi. "Nicht zu Legoland. Da müssen wir doch wieder zurück nach Hause..."


  Mittsommer



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