21. JULI 2009

Dienstag, den 21. Juli 2009

Hallo, liebe Heidi-Blog-Leser. Hier wieder mal ein paar Zeilen über Heidi.

Es geht weiter vorwärts, allerdings nicht ganz so schnell, wie Heidi will. Jedes Mal, wenn wir an einem Klettergerüst, einer tollen Rutsche oder Schaukel vorbei kommen, wird Heidi von einer großen Sehnsucht übermannt. Heidi sagt dann immer: „Hierhin müssen wir fahren, wenn ich wieder gehen kann." Hierhin ist derzeit ein gemütlicher Campingplatz in der schwedischen Landschaft Blekinge, südlich von der Kleinstadt Ronneby. Direkt vor unserem Platz befindet sich ein kleiner Bootshafen und ein Strandstreifen zum Baden. Das Wasser hat gut 20 Grad und Heidi hat schon einige Male gebadet. Wasser ist mehr denn je Heidis Element. Da kann sie sich viel besser bewegen als zu Lande und sie genießt das bisschen Freiheit in ihrem ansonsten ja ziemlich begrenzten Dasein.

Heidi ist eigentlich genau wie immer: froh, erfinderisch und nicht zu vergessen auch sehr lustig. Aber sie grübelt auch, das merkt man mehr denn je. Vielleicht liegt es auch daran, dass sie sich seit einiger Zeit doch ganz anders ausdrücken kann, wer weiß. Sie denkt offensichtlich über ihre Krankheit nach und vergleicht auch mit anderen Kindern, die auch „Knoten" haben (das Wort „Krebs" ist Heidi - zum Glück - kein Begriff und wir vermeiden es in Heidis Anwesenheit). Völlig aus dem Nichts kann sie beispielsweise einen recht schwarzen Kommentar von sich geben, um dann auch gleich wieder damit weiter zu machen, womit sie gerade beschäftigt war. Es tut schon weh, Heidis recht sichere Meinung über das Leben mit „Knoten" zu hören.

In Heidis Oberstübchen passiert so einiges, da gibt es keinen Zweifel. Neulich sagte sie, dass es schön sei, Kind zu sein. Die Eltern machen genau das, was man will. Jan und ich nahmen dies sehr persönlich und fühlten uns in unserem fast schon ans Neurotische grenzenden Streben, Heidis Dasein zu vergolden, wie große Sieger. Ist es doch das einzige, was wir tun können...


Nachdem wir von Varberg zurück waren, blieben wir eine Woche zu Hause. Heidi spielte einige Male mit ihrer besten Freundin Tove und wurde von einer anderen Freundin ins Kino eingeladen. Es ist toll, dass die Freunde zu ihr stehen, obwohl ja nun so vieles ganz anders ist und das Spielen völlig von Heidis neuen Bedingungen abhängt. So alt sind sie ja doch noch nicht, die Kids.

Nach einer Woche Pause war die Physiotherapeutin Johanna von Heidis Gehkünsten richtig beeeindruckt. Heidis Mobilität reicht nun soweit, dass sie sich allein durchs Haus bewegen kann. Sie macht ein paar Schritte, hält sich dann an einem Stuhl, Tisch oder den Wänden fest, macht wieder ein paar Schritte. Das geht ganz gut und ist eine große Erleichterung für uns alle, aber besonders für Heidi, die nun endlich nicht wegen jedem Schritt um Hilfe rufen braucht. Endlich kommt sie allein auf die Toilette. Allerdings vermisst Heidi unsere Lachattacken, die des öfteren zu nassen Fussböden führten. Sie ist schon eine verrückte Maus.

Heidis linker Arm wird auch immer besser und baumelt nicht mehr wie ein leerer Ärmel am Körper runter. Heidi schafft es sogar, ihr Nintendo DS mit beiden Händen zu bedienen, auch wenn sie hin und wieder vor sich hinflucht, wenn der linke Zeigefinger nicht ganz gehorcht.


Vorige Woche fanden wir, dass Heidis Körper nun für das Leben im Wohnwagen fit genug war. Aber wir konnten nur eine kleine Runde machen, da Heidi ziemlich kurzfristig für Donnerstag, den 16.7., zu einer neuen MRT bestellt war. Dr. Johan hatte freilich gesagt, dass dies erst in drei Monaten sein sollte, aber was soll man machen? Darum zogen wir den Wohnwagen nur die 60 km bis Helsingborg. Das Wetter war ganz okay. Auf dem Programm standenFaulenzen, Freibad und kleine Radtouren, wobei Heidi glücklich und zufrieden in einem Kinderanhänger an Jans Rad saß. Vor unserer Reise nach Varberg hatten wir diesen Anhänger gekauft, von dem Heidi schon jahrelang geredet hatte und für den sie nun eigentlich schon zu groß ist. Tja, es kommt eben immer anders, als man denkt.


Am Dienstagabend klingelte mein Handy. Keine Nummer im Display - das bedeutet immer eine psychische Achterbahnfahrt, denn diese Anrufe kommen normalerweise von der Klinik. Oft genug haben wir gedacht, nun kann es einfach nicht dicker kommen, aber es scheint immer wieder etwas zu geben, das uns noch mehr Angst bereitet und noch trauriger macht. Am Telefon war, ganz richtig, Dr. Johan, der allerdings nur mitteilen wollte, dass er die MRT, die in seiner Abwesenheit entschieden worden war, abblasen wollte. Anfangs wollte er wohl seinen Kollegen nicht auf den Schlips treten, aber dann fand er es doch völlig unnötig, schon jetzt, sechs Wochen nach der OP, eine MRT zu machen. Na ja, da sagten wir freilich nicht nein. Schön für Heidi. Nadel in den Port ist ja nun mal eine Katastrophe für sie. Jeden Tag hatte sie sich mehrmals voller Unruhe erkundigt, wann denn nun Donnerstag sein. Und Jan und ich brauchen uns nicht damit herumquälen, auf den Befund zu warten. Es ist schwer genug, wie es ist. Wir fuhren aber am Mittwoch, wie geplant, wieder nach Hause und statt in der Klinik verbrachten wir den Donnerstag bei herrlichem Sommerwetter im Garten. Heidi bekam Besuch von einer Schulfreundin, Vera, und gemeinsam hatten sie viel Spaß in Heidis Kinderpool.


Am selben Abend fuhren wir wieder los und kamen dann auf unserem neuen Urlaubsplatz an. Auch Kaninchen Robin ist mit dabei. Hier in den Blekinger Schären bleiben wir nun noch ein paar Tage und dann fahren wir wieder Richtung Westen, nach Karlshamn. In dieser Gegend hat Heidis alte Kindergartenfeundin, Amanda, ein Sommerhaus und wir werden ein paar Nächte auf deren Grundstück bleiben. Heidi zählt die Tage, bis es so weit ist.

Einstweilen Euch allen einen weiterhin schönen Sommer!


 
Radtour zum Hafen von Råå in der Nähe von Helsingborg.


Baden im Freibad.


Beinübungen im Wohnwagen.


Sommerhaar mit naturblonden Spitzen und Strähnchen.


Das alte Kinderpool wurde wieder rausgeholt. Hier badet sie mit Vera.


Blick aus unserem Vorzelt. Herrlich!


Heidi kocht am Strand.


Es, oder besser gesagt sie, geht. Sehr langsam und nicht weit, aber immerhin.


2. JULI 2009

Donnerstag, den 2. Juli 2009

Danke an alle, die sich nach unserem Hilferuf sofort an die Arbeit gemacht haben! SUPER! Jeder Tipp ist wichtig.

In den letzten zwei Wochen hat Heidi große Fortschritte gemacht. Das Rollstuhlleben lässt sich zwar aushalten, aber die ständige Abhängigkeit ist nun mal nicht Heidis Ding. Mehrmals täglich spricht sie davon, was sie alles machen wird, wenn sie erst wieder gehen kann. Sie hat ihr Ziel deutlich definiert.
Darum versucht sie nun auch immer öfter, ganz allein zu stehen oder zu gehen. Sie nutzt die Gelegenheit, wenn wir gerade mal nicht in der Nähe sind und manchmal bleibt einem dann fast das Herz stehen, wenn wir sie bei ihren Übungen „ertappen". Aber die harte Arbeit trägt Früchte: Heidi macht schon ein paar Schritte ganz frei. Nun wollen wir auch den linken Arm wieder auf Vordermann kriegen. Der ist nämlich noch immer ziemlich schwach. An Heidis Willen liegt es nicht, sie probiert wirklich, den Arm und die Hand mit einzubeziehen. Die herrliche Frohnatur, die sie nun mal ist, macht das Ganze oft auch richtig lustig. Gestern beispielsweise wollte sie ihr Eis festhalten. Bei diesem Versuch schwenkte ihre linke Hand unkontrolliert über dem Becher hin und her und als der Daumen beim Greifen mitten im Schokoeis landete, lachte sie sich total kaputt darüber. Ihre ständige Heiterkeit ist einfach einzigartig. Und für mich ein wahrer Rettungsring.

Diese Woche verbringen wir in einem Kurort an der schwedischen Westküste, genauer gesagt in Varberg. Ganz kurzfristig wurde uns von der schwedischen Kinderkrebsstiftung ein Appartement in einer Villa angeboten, wo betroffene Familien kostenlos Urlaub machen können. Mit dem Rad haben wir ein paar Minuten bis zum Strand und außerdem können wir die Poolanlage des Kurhotells ausnutzen. Wir machen nicht viel, die Tage verstreichen mit Radtouren, Baden, Ausruhen. Heidi bestimmt den Tagesablauf. Das gefällt ihr gut. „Ich bin froh und munter, obwohl ich in dieser Situation bin", meinte sie gestern Abend. Toll gesagt von einem Kind, das gerade sieben geworden ist.

Am Sonntag Abend überraschten wir Heidi mit Karten zu einer ABBA-Show. Die Mädchen und Jungen der Musikhochschule Malmö waren richtig gut und besonders bei dem Lied "Take a chance on me" leuchtete Heidis Gesicht heller als der Polarstern. Ihr hättet sie sehen sollen, wie sie mit ihren ein und ein Viertel Händen klatschte. Sie lebt und erlebt so intensiv. Fast scheint es so, als wäre sie für jeden Atemzug dankbar. Sie ist so empfänglich für alle Eindrücke, denen sie begegnet. Jeder Krümel Wissen wird eifrig aufgesammelt und gespeichert. Manchmal könnte man meinen, dass ihr Körper und ihre Seele jede Minute lebt, als wäre es die letzte.

Nächste Woche sind wir dann zwecks Krankengymnastik erst mal wieder ein bisschen zu Hause. Dann drehen wir vielleicht noch eine Runde mit dem Wohnwagen. Mal sehen. Eine Stunde nach der anderen.



Heidi malt Mama. Und badet...




RSS 2.0