RÜCKBLICK - APRIL 2007

Sonntag, den 1. April 2007

So, nun sind wir von der ersten Tour mit dem Wohnwagen wieder zurück. Die wunderbare Frühlingssonne hat rosige Tupfen auf unsere krankenhausbleichen Wangen von voriger Woche gezaubert. Phantastisch! 40 km weg von Waschmaschine und Staubsauger, Moos im Rasen, unmontierten Flurmöbeln und einem Haus, das nach Renovierung schreit, haben wir Zeit. Zeit für einander, Zeit für Heidi. Und eine Sache ist sicher: Heidi nutzt jede Sekunde mit uns, lässt keine Gelegenheit verstreichen, mit uns zu spielen. Das macht Spass. Gleichzeitig sind wir so schrecklich müde, hätten gern ein  bisschen länger in unseren Campingstühlen geschlummert. Ach, wir sind ja so langweilig.

Heidi geht es gut. Alles ist natürlich relativ. Es scheint, dass sich die Aus- und Nebenwirkungen der Chemos immer länger dahin ziehen, wenn wir erst mal zu Hause sind. In der vergangenen Woche fiel es Heidi oft schwer einzuschlafen und mehrere Male war ihr schlecht. Sogar gestern noch, eine ganze Woche nach abgeschlossener Chemo, musste sie brechen. Man kann sich fragen, in welchem Zustand die Magenschleimhäute sind. Oder besser gesagt Heidis ganzer Körper. Die letzte Chemo und alle Nachwirkungen haben ihr fast ein Kilo gekostet.

Aber nun ist nur noch eine Serie, also vier verschiedene Chemos, übrig. Jedes Mal, wenn Heidi einen Chemococktail kriegt, wird es der letzte seiner Art sein. Kann das wirklich wahr sein? Sind wir wirklich bald fertig? Wir haben gemischte Gefühle. Einerseits wollen wir die Chemos hinter uns bringen. Andererseits sind es ja die Chemos, die den Krebs bis jetzt auf Abstand gehalten haben. Wir haben Zeit gewonnen. Unbeschreiblich wertvolle Zeit. Aber wir sind irgendwie ganz schön am Ende und sehnen uns danach, endlich den Epilog des Chemokapitels schreiben zu können, auch wenn uns nach dem Abschluss dieser 28 Chemos eine in aller högstem Grade diffuse und vielleicht sogar düstere Zeit bevorsteht.

Donnerstag, den 5. April 2007 - FROHE OSTERN!

Zuerst ein Foto von gestern: eine glückliche Heidi 15 Minuten vor dem Blutabnehmen. Erst freuten sich eine Menge Rentner über unser süsses Osterweiblein (ist ein Brauch in Schweden), dann auch Marita und die anderen im Labor. Kein Problem, Heidi in den Finger zu stechen und das kleine Röhrchen mit Blut zu füllen - Marita konnte in Ruhe arbeiten, da Heidi völlig entspannt war.           



Heute sind wir in der Klinik, um Chemo Nr. 25 zu machen. Die letzten zwei Male, als Heidi Vincristin/Carboplatin bekam, hatte man den Spültropf abgesetzt und alles war in sechs Stunden erledigt. Jetzt sind die 24 Stunden Spültropf plötzlich wieder zurück, was eine Übernachtung bedeutet. Wirklich merkwürdig. Voll darauf eingestellt, dass wir bei dieser Chemo zu Hause schlafen würden, findet Heidi das überhaupt nicht gut. "Ich will nach Hause", sagt sie schon zur  Mittagszeit. Arme Maus.

Um sie zu trösten, schlagen wir vor, am Wochenende ein Fest zu feiern. Fest - ja, das ist Musik in Heidis Ohren, das mag sie. Hm, und wen sollen wir einladen? Die Cousinen Hanna und Elin aus Vara, findet Heidi.

Und das ist genau das, was wir gemacht haben, nur, dass das schon vor mehreren Wochen war. Morgen kommt die ganze Familie, mit Oma Greta als Bonus, zu uns. Das wird ein Spass, Heidi diese Nachricht zu überbringen... Bis dahin müssen wir hier die Zähne zusammen beissen und das ausstehen, was wir sowieso nicht ändern können. Die Chemos sind wichtig - dem Krebs wird keine Chance gegeben.


Montag, den 16. April 2007

Bei uns ist alles unter Kontrolle und alle Pläne haben geklappt - Heidis Cousinen und Oma waren über Ostern bei uns und Heidi war seelig. Spielkameraden in nächster Nähe - was gibt es Besseres. Und Heidi hatte sich auch danach gesehnt, endlich mal wieder in Omas Schoss zu sitzen.        
                           
                                                      


Dann eine wunderbar normale Woche. Sonnige Kindergartentage. Keine Sorgen. Kein Fieber. kein Krankenhaus. Sogar das Essen hat wieder gut geschmeckt.

Am Wochenende waren wir mit dem Wohnwagen unterwegs. Heidi hatte sich eine Tour zu Skånes Tierpark gewünscht und als Sahnetüpfchen hatten wir Tim, Marlene und Matilda zu Gast. Als wir gestern aufbrechen mussten, war Heidi enttäuscht. So oft hatten wir nun wirklich nicht im Wohnwagen übernachtet...

Morgen haben wir ein Jubiläum: der hundertste Stich in Heidis Fingerchen. Obwohl es eigentlich korrekter wäre zu sagen, dass es die hundertste Finger-Blutprobe ist, da es manchmal eines weiteren Stiches bedarf, wenn das Blut aus dem ersten Loch schlecht kommt.
Bleibt nur zuhoffen, dass Heidis Werte gut genug sind, um die nächste Chemo am Mittwoch zu beginnen. Wie die neutrophilen Granulozyten und Weissen aussehen, wissen wir nicht. Der Hb ist vielleicht in Ordnung. Heidi hat rosa Wangen. Aber wie es bei den Trombozyten aussieht, ist fraglich. Heidis Beine sind voller blauer Flecken. Klinik oder nicht? Morgen wissen wir mehr. Die kommende Chemo bedeutet viele Tage in der Klinik, darum fällt es uns wie immer schwer zu behaupten, das wir uns darauf freuen. Vor einer Weile haben wir mit Heidi darüber geredet und sie in  die Küche geschickt, wo unser (nunmehr kurzes) Massband hängt, um die ausstehenden Chemos zu zählen (Siehe Bild. Nur, dass es so am Anfang aussah. Laaaang. Nach jeder Chemo schneiden wir ein Zettelchen ab und kleben es auf eine Sektflasche). Von der Küche hörten wir Heidi: "Eins, swei, lei." Zurück im Esszimmer erklärt sie mit einer nonchalanten Handbewegung: "Lei mal. Das ist kein Lolem. Das schaffen wir!" Und freilich, das schafft sie, unser tapferes Mädchen.        

                                                                                                                                                                      


Donnerstag, den 19. April 2007

Schlimm, heute jagt man keinen Hund vor die Tür. So ein kalter Wind da draussen... Das wäre perfektes Klinikwetter gewesen, aber wegen Heidis schlechter Werte sind wir zu Hause. Nicht gerade eine Überraschung. Nach Nr. eins hatten wir schon früher lange Wartezeiten. Kann man nichts machen. Hoffentlich gelingt es irgendwelchen hässlichen Bakterien nicht, sich an Heidis derzeit äusserst magerem Immunsystem vorbeizumogeln.

Jan und ich werden wieder mal von noch grösserer Unruhe geplagt, Heidi von meiner Hand, die ständig auf ihrer Stirn liegt. Na ja, ihr Körper hat solche Situationen schon so oft geschafft, es wird auch dieses Mal gut gehen.


Freitag, den 27. April 2007
An der Chemofront ist es weiterhin still. Leider keine neuen Zettelchen für die Sektflasche. Heidis weisse Blutkörperchen klettern zum Glück sachte wieder nach oben und bis jetzt ist sie von ernsthaften Infektionen verschont geblieben. Jeden zweiten Tag müssen wir zum Blutabnehmen. Nervend, aber notwendig, um die kümmerlichen Trombozyten und roten Blutkörperchen im Auge zu behalten, die jeden Moment ins Nichts abrutschen können. Heidis Mittelfinger sind schon bald durchlöchert und jedes Mal, wenn wir die Klinik wegen den Befunden anrufen, erwarten wir, zur Transfusion bestellt zu werden. So sieht im Moment unser Alltag aus.
Gleichzeitig laufen Arbeit und Kindergarten weiter. Und da ist dann noch unser Herz, dass bei jedem Telefonsignal ein paar Schläge überspringt. Bloss nicht die Nummer vom Kindergarten. Die Vorstellung, dass Heidi hingefallen sein könnte und nun unaufhörlich blutet, lässt uns keine Ruhe. Aber was sollen wir machen? Wir können sie ja nicht anbinden. Leben ist gefährlich, versuchen wir uns zu beruhigen. Es ist so leicht, kluge Sprüche zu klopfen. Sich daran zu halten, ist eine ganz andere Sache. Heidi ist ein lebhaftes Kind und der Mangel an roten Blutkörperchen, eine erhöhte Müdigkeit und Ermattung, ist wie immer nicht zu bemerken. Sei vorsichtig, rufen wir ihr hinterher, wenn sie davon saust. Meint Ihr, dass das hilft?
Viertel nach eins erreiche ich endlich die Klinik und erhalte Heidis Befunde. Die Transfusion ist nun endgültig ein Faktum. Heidis Hb ist von Tag zu Tag gesunken und liegt nun bei 76. Genau wie das Meiste in unserem Körper ist das Hemoglobin sehr wichtig, da es den Sauerstoff von der Lunge in die Zellen transportiert. Die Zellen wiederum brauchen den Sauerstoff fur den Stoffwechsel und das gibt uns Energie. Eigenlich komisch, dass Heidi so fit ist. Morgen müssen wir also zu unserem Lieblingsort zum Tanken. Was für ein Samstag...
Aber wir haben den Sonntag, auf den wir uns freuen können. Da wollen nämlich unsere Freunde Johan und Helena aus Göteborg kommen. Zum ersten Mal dürfen wir sie mit ihrem kleinen Mädchen Linn sehen, auf das sie so lange gewartet haben und mit dem sie neulich von China nach Hause gekommen sind. Wir freuen uns wirklich wahnsinnig und Heidi kann es kaum abwarten. Mit diesen guten Aussichten wird es Heidi hoffentlich ein bisschen leichter fallen, die dumme Nadel zu ertragen. 

Samstag, den 28. April 2007
Halb elf sind wir im Krankenhaus, kurz darauf ist die Nadel in Heidis Port. Eine Stunde später sind wir wieder weg. Keine Transfusion, entscheidet die Ärztin. Die heutige Blutprobe zeigt nämlich, dass der Hb-Wert wieder nach oben tendiert. Weisse, neutrophile Granulozyten und Trombozyten waren schon vor einigen Tagen auf dem Anmarsch und nun brauchen wir vor der für Mittwoch geplanten Chemo nicht mal eine neue Blutprobe machen. Mittwoch, das ist ein Tag vor Heidis Geburtstag. Ziemlich dumm, dass wir an ihrem Geburtstag in der Klinik sind. Darum werden wir den Kalender ein wenig ändern, gesetzlos wie wir nun mal sind. Dieses Jahr fällt der dritte Mai ganz einfach auf den ersten. Perfekt! Die ganze Familie hat frei und wir können Heidis Geburtstag zu Hause feiern. Mit Torte und Kerzen, Geschenken und Luftballons statt Nadel und Schläuche, Metothrexat und Spuckbeutel.

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