13. SEPTEMBER 2008
Ja, nun sind wir von Uppsala zurück... Und es steht fest, dass Heidis Strahlentherapie die moderne Protonenstrahlung sein wird. Das war nämlich noch gar nicht entschieden, wie wir im Nachhinein verstanden. Die verantwortliche Ärztin und das Team in dem Institut wollten Heidi erst kennenlernen und sehen, wie sie auf alles reagieren würde. Vor allem ist es sehr wichtig, dass Heidi total still halten kann, da man dort im Institut keine Narkose verabreichen kann.
Heidi musste auf einen Thron klettern, auf dem sie während der Strahlung sitzen wird. Zuerst ist da ein Kinderautositz, der auf irgendeinem Packen Irgendwas steht und das Ganze widerum ruht auf einem ausrangierten Behandlungsstuhl. Heidis Füsse stehen auf einem Karton, da sie ja mit den Beinen nicht richtig runter kommt. Die Crew, d.h. ein Physiker, die Ärztin und zwei Schwestern erklärten uns mehrmals, dass alles noch eine Versuchsausrüstung sei und wir versicherten hundert Mal, dass uns das wirklich nichts ausmache. Wir sind doch einfach nur froh, dass Heidi überhaupt diese Therapieform kriegen kann. Es dauert hier wohl noch ein Weilchen, bis die Protonentherapie mit tollen, weissglänsenden Geräten mit türkiser Beschriftung und tollen Displays verabreicht werden kann. Aber so lange können wir eben nicht warten. Die Tage, die wir haben, kann man fast an einer Hand zählen, dann muss ganz einfach etwas passieren, wenn man diesen verdammten Krebszellen einmal für alle den Garaus machen will.
Das Team erklärte und zeigte uns jede Menge Dinge und Heidi sollte das eine und andere ausprobieren. Die ganze Zeit war sie ganz lieb und hörte geduldig zu, unsere kleine Maus. Ihr Kopf wird während der Strahlung auf verschiedene Weise in absolte Ruhestellung gebracht, u.a. durch eine Schiene mit ihrem Gebissabdruck, die sie im Mund haben muss. Diser Abdruck wurde gleich am Donnerstag gemacht.
Nach diesem Besuch zogen wir weiter zur Kinderklinik. Hier trafen wir auf die gängigen Verhältnisse. Traurig, aber wahr. Keiner weiss so richtig was und der, der was weiss, ist gerade in aller Eile zum Mittag, die Stunden ticken dahin, Schwestern oder Ärzte sausen vorbei und entschuldigen sich für das Chaos, dass heute herrscht. Na ja, dachten wir und trösteten uns damit, schon am nächsten Abend wieder im Flieger Richtung Heimat zu sitzen.
Eine nette Schwester, die anscheinend nicht so viel Erfahrungen mit Ports hatte, aber immerhin so tat, als wäre das gar kein Problem, brachte die Nadel in Heidis Port und obwohl wir ausdrücklich gesagt hatten, dass dies fix von der Bühne gehen sollte, dauerte das Ganze eine Ewigkeit und Heidi war ziemlich traurig. Warum bittet man das Kind zu kommen, wenn noch gar nicht alles vorbereitet ist und warum begreifen die Leute einfach nicht, dass manche Kinder noch gestresster werden, wenn man versucht, sie auf irgendeine Art abzulenken? Warum können die, die mit Kindern zu tun haben, nicht verstehen, dass KInder clever sind und das Meiste durchschauen? Mein Gott!
Heidi war dann am Freitag Nummer zwei auf der Op-Liste, aber exakt wann es losgehen würde, wusste man nicht, da man die Dauer der ersten Op nicht einschätzen konnte. Von einem Anästhesisten, der die sog. präoperative Beurteilung machen sollte, mit anderen Worten, ob Heidi in Narkose versetzt werden kann, war keine Spur und gegen elf schlummerte Heidi dann eben ohne eine solche Untersuchung ein. Gut, dass wenigstens der Neurologe Heidi am Vortag gründlich begutachtet hatte. Kurz nach zwölf war Heidi fertig und hatte nun vier Titanschrauben im Schädel.
Heidi schlief immer noch fest und ich bekam ein ungutes Gefühl, da sie um eins einen CT-Termin hatte. Noch schlafend, wurde sie zur CT-Station gefahren und unterwegs geweckt. Da jammerte sie wegen der Nadel, die man ihr in den Handrücken verpasst hatte (für die Kontrastflüssigkeit). Das Tape spannte, die Nadel störte und tat weh. Noch völlig verdattert, bekam Heidi also direkt die CT-Anlage und wieder neue Leute zu Gesicht. Wie würde das nun laufen, dachte ich besorgt. Sie wurde auf die harte Unterlage gelegt, bekam eine warme, feuchte Platte übers Gesicht, die allmählich steif wurde und eine enganliegende Maske bildete. Heidi war sehr tapfer. In die Maske schnitt man dann Löcher für die Augen und den Mund und dann kam sie, neben Heidis Kopf festgeschraubt, wieder übers Gesicht. Heidi hielt dies eine Weile durch und hätte es bestimmt prima geschafft, wenn da nicht diese doofe Nadel in der Hand gewesen wäre, wegen der sie dann immer trauriger wurde. Es tat fürchterlich weh, sie so wimmern zu sehen, ohne die leiseste Chance, sie trösten zu können, da die CT-Anlage ja voll in Gang war. Das sind dann solche Augenblicke, wo ich alles hinklatschen könnte. Na ja, einige schlaflose Stunden mit diesen Bildern vor Augen, dann ist der Kampfgeist wohl wieder da. Was uns nicht umbringt, Ihr wisst schon... Die Frage ist nur, ob nicht auch die kleinen Steinchen eines Tages ein Mosaik bilden.
Heidi erholte sich wie immer in Windeseile: Als die Nadeln im Abfalleimer lagen, war sie wieder die Alte. Am Freitag Abend, endlich wieder zu Hause, schmuste sie noch ein wenig mit Robin, futterte ein paar Bonbons und tanzte mit ihrem Spiegelbild in den Fensterscheiben. Obwohl Heidi nur zwei Schultage verpasst hat, sehnt sie sich schon wieder nach ihrer Schule. Ein Glück, dass sie nun erst mal zwei Wochen hat, bevor am 29. September die sechswöchige Strahlentherapie beginnt.
Hier noch zwei neue Bilder von heute. Beim Kuchenbacken fragte Heidi auf schwedisch: "Mama, ist das okay, wenn ich ein bisschen "Schweinerei" gemacht habe?" Wobei das Wort "Schweinerei" auf deutsch kam. Ich hab so gelacht.