31. AUGUST 2008
Die Vorschule hat angefangen, Heidi hat ein Zwergkaninchen bekommen, wir sind wieder mal sehr müde gewesen und das Treffen mit Heidis Neurologen Dr. Johan liegt hinter uns. So lassen sich die letzten Wochen kurz zusammenfassen.
Die Vorschule ist jedenfalls super. Heidi scheint all das Neue prima zu gefallen: die allgemeine Atmosphäre, die Lehrer- und Erzieherinnen, die Kinder. Heidi kennt nämlich nur ein Kind von früher. Das Beste an der Vorschule ist, dass man sich beim Essen selbst bedient und hinterher auch selbst den Tisch abwischt. Verantwortung, ja, das mag Heidi. Ein weiterer Schritt auf dem Weg, ein großes Mädchen zu werden.
Wir sind sehr erleichtert, dass Heidi die Schule gemeinsam mit allen anderen Kindern beginnen konnte, nicht zuletzt wegen dem, was ihr im Herbst bevorsteht. Es war wirklich ein Riesenglück, das sie Anfang August operiert werden konnte und ihre Genesung so schnell ging.
Das Kaninchen Robin, das Heidi sich so sehr gewünscht hatte, wohnt nun seit einer Woche bei uns. Freilich wäre Heidi ein Hund oder eine Katze lieber gewesen, nicht zuletzt seitdem sie im Sommer so einen engen Kontakt mit den niedlichen Hunden auf dem Campingplatz hatte, von denen obendrein noch einer zu verkaufen war... Das war schon ganz schön lockend. Aber Heidi sah ein, dass wir derzeit wirklich keine guten Voraussetzungen für einen Hund schaffen können. Sie war sehr vernünftig und gab uns völlig Recht, dass es einem Kaninchen wohl doch am besten bei uns gefallen würde. Und das macht er auch, der kleine, süße Robin.
Dann war da am Donnerstag noch der Termin mit Heidis Arzt. Wieder war es ein langes Warten. Und wie immer kostete das Warten uns viel Kraft. Bei ununterbrochenem Grübeln und ständig mit der Frage über uns baumelnd, wie alles weiter geht, ist es nicht einfach, die Kraft für ein „normales" Leben aufzubringen.
Da die Kontaktschwester Charlotte schon im Juli Strahlentherapie erwähnt hatte, wussten wir natürlich, womit Dr. Johan kommen würde. Selbst mit Strahlentherapie ist Heidis Schicksal sehr unsicher, aber ohne wird sie ihre Krankheit nicht überwinden. Das haben wir ja eigentlich von Anfang an gewusst. Ependymom Grad III ist ein bösartiger Krebs und lässt sich mit Operation und Chemotherapie allein nicht heilen, auch wenn die operative Entfernung des Tumors ein wichtiges Moment ausmacht. Die fürchterlich anstrengende und aufreibende Chemo war notwendig, um die Strahlentherapie so weit wie möglich hinauszuzögern und Zeit zu gewinnen, in der sich wichtige grundlegende Hirnfunktionen entwickeln könnten. Das Hirn eines Sechsjährigen zu bestrahlen ist auch nicht besonders gut, aber eben doch besser, als wenn das Kind noch jünger und das Hirn somit noch weniger entwickelt ist.
Bald soll die Strahlentherapie losgehen. Worüber wir am lautesten seufzten, war die Dauer dieser Behandlung. Sechs Wochen, Montag bis Freitag.
Als wir nach der Operation von der Klinik heim kamen, waren wir ganz schön kaputt. Der ständige Druck, dem wir den ganzen Sommer lang ausgesetzt waren, machte sich deutlich bemerkbar. Und wieder mal waren wir um den Sommer gebracht worden. Darum buchten wir für die Herbstferien kurzerhand einen Badeurlaub, erzählten Heidi davon und träumten gemeinsam von den herrlichen Tagen, die auf uns warteten. Naiv. Der Traum platzte wie eine Seifenblase, als wir von den sechs Wochen hörten und wir wurden ganz schön traurig.
Nun warten wir wieder mal auf weitere Auskünfte. Wie immer. Wir wissen nicht, wann genau diese kommen. Wie immer.
Noch ein paar Zeilen zu der geplanten Strahlentherapie. Diese kann also (in Lund) auf herkömmliche Weise durchgeführt werden oder auch mit Hilfe einer modernen Technik, bei der sog. Protonenstrahlung zur Anwendung kommt. Diese Methode ist bedeutend besser, schonender ganz einfach, da die Strahlen nicht in dem Umfang wie bei der herkömmlichen Therapie auf gesundes Gewebe auftreffen. Es geht ums Gehirn und darum kann jeder ziemlich schnell die Vorteile ausrechnen, wenn die Bestrahlung von gesundem Hirngewebe vermieden wird.
Die Anlage befindet sich in Uppsala (700 km nördlich), die Nachfrage ist groß und ob Heidi da behandelt werden kann, scheint nicht sicher zu sein. Sechs Wochen Pendeln nach Uppsala ist freilich kein Zuckerschlecken, aber angesichts der Tatsache, dass Heidi wertvolle Hirnfunktionen bewahrt werden würden (Gedächtnis, Hormone, Wachstum u.a. - eben alles, was in einem Kopf ist), verblassen die mit dem Pendeln verbundene Anstrengung ja total.
Im Moment wissen wir jedenfalls nicht, ob Heidis Strahlentherapie in Uppsala durchgeführt wird und es ist verdammt schwer, das Grübeln sein zu lassen. Was sollen wir bloß tun, wenn sie uns sagen, dass es für Heidi in Uppsala keinen Platz gibt? Und wie lange müssen wir nun wieder warten, bis wir Bescheid kriegen?
Auf eine andere Frage, die uns bekanntlich viel Kummer bereitet hat, nämlich warum man im Juni anfänglich den Tumor gar nicht entdeckt hatte, gab es nichts Neues. Irgendwelche erschöpfende Antworten bekamen wir auch in diesem Gespräch nicht. Menschlicher Faktor, ja, der Ausdruck fiel wohl. Na ja, was soll man sagen. Der menschliche Faktor existiert zwar. Aber wer will schon, dass sein Kind diesem Faktor zum Opfer fällt. Als Buddhist wäre das vielleicht einfacher...