22. MAI 2009
Freitag, den 22. Mai 2009
Es ist nun einige Tage her, dass wir Heidi von den neuen Tumoren erzählt haben. Sie trug es mit erstaunlicher Fassung, war fast ein wenig zu ruhig. Sie blieb auch völlig beherrscht, als wir ihr eröffneten, dass eine neue MRT (übrigens Dienstag nächste Woche) ins Haus steht. Es war, als ob sie es irgendwie schon geahnt hatte, dass nicht alles beim Rechten war. Obwohl wir uns so angestrengt hatten, war es uns wohl doch nicht ganz gelungen, unsere Angst und Unruhe zu verbergen. Vor der letzten MRT reagierte sie nämlich ganz anders, da legte sie ihre Hände schützend über ihr Porth-a-Cath und sank in sich zusammen, wie immer, wenn sie nur die geringste Silbe von Nadel und Porth-a-Cath hörte. Hört auf, redet nicht davon, ich will das nicht hören, pflegt sie zu betteln, sobald es nur irgendwie um Nadel und Porth-a-Cath geht.
Am Mittwoch erreichte uns dann das Urteil des Neurochirurgen: Operation. Die zwei neuen Tumore befinden sich im alten OP-Bereich und ihre Lage sei in chirurgischer Hinsicht günstig. Es werden zwei Vorteile gegenüber dem Gamma-Knife angeführt. Zum einen können die Tumore pathologisch analysiert werden. Noch wichtiger aber: Wenn der Chirurg erst mal in den Hohlraum vorgedrungen ist, wo sich die Tumore befinden, kann er auch sehen, ob es noch andere kleine Tumore gibt, die bei der MRT nicht sichtbar wurden. Diese könnten dann gleich mit entfernt werden. Klingt total plausibel, kein Zweifel.
Bloß, dass es uns allein bei dem Wort Operation schon den Magen umdreht. Es ist so unfassbar, so absurt, so entsetzlich, dass Heidi erneut so eine Operation erdulden und durchstehen soll. Verdammt noch mal, nur über meine Leiche, möchte ich am liebsten schreien. Zum vierten Mal, das kann einfach nicht wahr sein. Wie viel kann man ertragen? Wie lange soll man das eigentlich alles aushalten? Unser armes, armes Mäuschen.
Einstweilen haben wir Heidi noch nichts von den OP-Plänen gesagt. Es fällt uns extrem schwer und es ist vielleicht sowieso besser, dass wir erst mal den Befund der nächsten MRT abwarten. Sollte es Metastasen im Rücken geben, wäre die Lage sicherlich wieder anders und die Maßnahmen würden revidiert. All das ist allerdings nur unsere eigene Spekulation. Fragen haben wir, wie erwähnt, jede Menge, bloß keinen, dem wir sie stellen können, da wir immer noch keinen Arzt sprechen konnten. Unser bisheriger Kontakt mit einem Arzt beschränkt sich auf die ca. 10 Minuten Telefonat, bei dem uns am 13. Mai um 21.30 Uhr die Nachricht von den zwei neuen Tumoren überbracht wurde.
Ist schon jämmerlich, beim besten Willen.
Aber wir werden kämpfen, alle.
Wenn sich der Schock gelegt hat,
ist die Hoffnung wieder da.
Genau wie wir.
Noch ist dieses Kapitel nicht zu Ende.
16. MAI 2009
15. MAI 2009
Foto vom 3. Mai 2009: Tim gratuliert Heidi zu ihrem 7. Geburtstag - natürlich mit Blumen!
Ich wünschte, dass dieser Eintrag einzig und allein davon handeln könnte, wie gut es Heidi geht und wie prima sie sich entwickelt. Mit Meilenstiefeln ist sie diesen Frühling vorangeschritten. Sie ist so groß geworden, unsere kleine Prinzessin. Hätte ich die Zeit, würde ich wohl alles bis aufs letzte Detail erzählen. Glaubt mir, sie ist eine Freude für Herz und Auge. Mit Begeisterung saugt sie alle Fakten und Zusammenhänge in sich auf, über die sie nur kommen kann und teilt ihre Erkenntnisse gern mit uns anderen. Man merkt ständig, welchen Spaß es ihr macht, etwas zu wissen. Jeden Tag tauchen neue Wörter auf und sie drückt sich immer komplizierter aus, nunmehr auch auf Deutsch, wo sie uns mit diversen ungewöhnlichen Wörtern und Ausdrücken überrascht und amüsiert. Selbstsicher vermittelt sie ihre Ansichten. Ihr Körper ist in einem super Zustand. Alles funktioniert, wie es soll. Sie schwimmt und taucht wie ein Fisch im Wasser, obwohl sie ja gerade im Januar ihren ersten richtigen Schwimmkurs begonnen hat. Seit einigen Wochen spielt sie Fußball im FC Staffanstorp. Sie tanzt und singt, wo immer sie sich befindet. Ein paar Töne im Lautsprecher des Shoppingcenters genügen. Wehmütig lauschen wir ihren Träumereien von ihrer zukünftigen Familie. Die Eigenschaften und das Aussehen ihres Mannes rasselt sie in zwei Minuten runter und die Namen ihrer Kinder stehen seit langem fest. Heidi ist wirklich keine Frühlingsbrise, sie ist ein Sturmwind. Immer froh und gut gelaunt, ist sie ein lustiger, erfinderischer, spitzbübischer Pfiffikus - ja, sie ist ganz einfach einmalig.
An dieser Stelle hätte ich gern ein paar Bilder eingefügt und tschüss bis nächstes Mal gesagt. Aber leider kommen nun doch noch ein paar andere Zeilen, die mir sehr schwer fallen. Drückende Bürde ist erneut auf uns geladen worden. Zwei kleine Tumore sind auf den MRT-Aufnahmen von letzter Woche zu sehen. Allen Behandlungen zum Trotz ist wieder etwas gewachsen. Der Befund erreichte uns spät am Mittwochabend und leider hatte Doktor Johan erst mal nichts Konkretes zu sagen, als dass man schnellstmöglich eine weitere MRT machen will, um den Spinalkanal, also den Rücken, auf eventuelle Tumore hin zu untersuchen. Die MRT-Aufnahmen sollen außerdem von dem Neurochirurgen Dr. Peter und dem Gamma Knife Zentrum Stockholm (Gamma Knife = sog. Strahlenmesser) beurteilt werden.
Tja. Da stehen wir also wieder da, bestürzt und hilflos, dem Schicksal völlig ausgeliefert. Noch sitzt der Schock in jedem Nerv. Niemand, auf den man die Schuld schieben kann, niemand, dem man Fragen stellen kann. Was nun? Und welche Konsequenzen hat dies für Heidis Leben? Nein, diesen Befund hatten wir irgendwie doch nicht erwartet, jedenfalls nicht jetzt. Aber was soll man schon erwarten... Trotzdem, irgendwie hatten wir auf eine kleine Atempause gehofft. Wir sehnen uns so wahnsinnig nach einem einzigen normalen und ruhigen Sommer. Aber nein, dieser gottverdammte Krebs kennt einfach kein Erbarmen.
Heute Nachmittag wollen wir Heidis Kindergeburtstag feiern. Wir haben einen Ausflug in den Wald geplant. Weder die Gäste noch Heidi haben eine Ahnung, wohin wir fahren werden. Da draußen wollen wir Hamburger grillen und auf dem Abenteuerspielplatz herumturnen. Schatzsuche, Fragesport und Schokoladenmedaillen sind vorbereitet. Heidi hat lange auf diesen Tag gewartet und ist außer sich vor Freude. Gestern Abend war sie eine Stunde lang damit beschäftigt, kleine Taxifahrscheine für ihre Gäste anzufertigen. Sie möchte ihr weißes Seidenkleid mit den silbernen Pailletten tragen und ihr Haar will sie mit Zweigen des lila Flieders, der vor unserer Haustür blüht, schmücken.
In der Nacht zum Mittwoch lagen wir wach und überlegten, wie und wann wir Heidi die traurige Nachricht überbringen sollen. Einen Tag vor ihrem Geburtstagsfest? Nein, das ging einfach nicht, beschlossen wir und strengen uns an wie nie zuvor. Wahrscheinlich durchschaut sie uns trotzdem, man kann ihr halt nichts vormachen.
Es fällt uns ja immer sehr schwer, nein zu sagen, egal, worum es geht. Aber gestern war es schwerer denn je und wirklich Glück für unsere Haushaltskasse, dass Heidi nicht auf einen Ferrari zeigte, weil wir den sonst wohl schnurstracks für sie erworben hätten.
In der Gärtnerei kauften wir jedenfalls den Kirschbaum, den sich Heidi seit einer Weile gewünscht und nun von Oma zum Geburtstag bekommen hatte. Wir pflanzten ihn gemeinsam und säten noch mehr Blumen im Garten. Heidis große Leidenschaft ist es ja, im Garten herum zu spazieren und Blumen, Blätter und Gräser zu pflücken, die sie dann zu den herrlichsten Sträußen bindet.
Dieses Jahr wachsen an dem kleinen Baum zwei Kirschen für Heidi...
Foto: Mittwoch, 13.05.09 - Blumenstrauss
für Mama und Papa.
Foto: 09.11. 08 - Herbststrauß für Mama.