31. AUGUST 2007

Freitag, den 31. August 2007

Hier bei uns geht so alles seinen Gang. Heidi geht es gut. Keine Infektionen und, soweit wir die Sache beurteilen können, keine Probleme. Entweder sind die Reflexe dabei wiederzukommen oder Heidi hat es gelernt, sie auf irgendeine Weise zu ersetzten. Wie auch immer, sie fällt jetzt viel seltener hin und hat es u.a. gelernt, ordentlich mit ihrem Roller  zu fahren. Dankbar darüber, dass wir sie nicht mehr ständig ermahnen, vorsichtig zu fahren, rast sie wie eine Wilde damit herum.
Heidi sieht gut aus, wie ein ganz normales Mädchen, abgesehen von ihrer Frisur, die immer noch ein bisschen anders ist. Aber ihre Haare sind ein gutes Stück gewachsen und man kann sogar Haarspangen hineinstecken, was für Heidi wirklich das Erreichen eines Meilensteins bedeutet. Kaum zu glauben, welche Bedeutung ein paar Haarspangen bekommen können.
Wie immer geniesst sie ihre Tage im Kindergarten. In ihrem Bestreben, den anderen KIndern so ähnlich wie möglich zu sein, betrachtet sie einen Tag im Kindergarten mit Frühstück, Mittag und Nachmittagsmahlzeit als Höhepunkt ihrer Existenz.
Dann haben wir da noch Jan und mich. Immer noch nicht richtig zufrieden damit, wie wir schlafen und wie es uns geht und so, sind wir doch glücklich darüber, dass unser Mäuschen so froh und munter ist. Wir versuchen, das Alltagsleben wieder aufzunehmen. Das geht recht gut. Aber manchmal ist es sehr anstrengend, immerzu so zu tun, als wäre alles okay, ständig nur an heute und niemals an morgen denken zu dürfen, ohne dass es weh tut. Heidis grosses Ziel in diesem Leben scheint nämlich gerade dort zu liegen, in der Zukunft. Sie will nichts anderes als gross werden und sie sehnt sich danach, Mama zu sein, zu heiraten, Erzieherin oder Lehrerin zu werden - sie redet von nichts anderem. Und wenn sie dann so vollständig unbekümmert ihre Zukunftsbilder in allen Farben des Regenbogens malt, zieht sich halt irgendwie der Magen  zusammen und wir werden traurig. Unvermeidlich.

Bald ist die nächste MRT dran und die Benachrichtigung ist schon in unseren Briefkasten gelandet. Und nun nähert er sich mit schnellen Schritten, der 11. September. Die Auswirkungen sind die üblichen. Mehr unruhige Gedanken, weniger Schlaf, ein paar weitere stille Gebete.
Drückt alle Daumen, die Ihr habt!



 

"Wollen wir Marita spielen"? fragte Heidi neulich. Und schwupps war Papa als Patient erkoren... Schaut Euch die Ausrüstung an - da ist alles, was man zu einer fachmässig ausgeführten Blutprobe braucht.
(Ihr erinnert Euch sicher, dass Marita die Frau ist, die Heidi bei den regelmässigen Proben zwischen den Chemos meistens das Blut abgezapft hat.)


11. AUGUST 2007

Mittwoch, den 8. August 2007
Nun sind wir wieder zu Hause. Einen guten Monat waren wir mit dem Wohnwagen unterwegs. Es waren schöne Wochen, aber der Sommer wollte dieses Jahr nicht so richtig Sommer werden und aus Strand und Baden, genau das, wonach Heidi sich so gesehnt hatte, wurde nicht viel. Den ganzen vorigen Sommer, als wir die Sonne wie die Pest meiden mussten, hatte sie hören müssen, dass sie nächstes Jahr wieder richtig baden dürfte. Und was man ihr versprochen hat, das vergisst sie nicht. Und sicher, mit fünf Urlaubswochen vor sich, hätten wir eine Chance haben sollen, dass es mal richtiges Badewetter wird. Aber nein, es wurde eigentlich nie richtig warm und es regnete oft tagelang zum Erbarmen... Mit dem Wetterbericht auf dem Laptop-Bildschirm sowohl morgens als auch abends begann auch Heidi schnell von "Wetterbelicht" zu reden. Arme Bademaus, von Woche zu Woche vertröstet... Aber sie durfte trotzdem baden. Viele Stunden lang - in der Schwimmhalle und im Abenteuerbad. Halle mitten im Sommer... Bisschen trist, aber es hat trotzdem Spass gemacht.
Zum Preise einiger unruhiger Tage darüber, wie Heidis Körper die 17 Grad Wasser- und die 20 Grad Lufttemperatur überstehen würde, durfte sie auch noch mal fix in den Vänern hüpfen. In der Woche, die wir in Jans Heimatstadt Vänersborg verbrachten, besuchten wir Familie und Freunde. Es war schon etwas anderes, die Cousinen Elin und Hanna sowie Oma Greta und die Grosstanten Inga-Maj und Inger endlich mal wieder in deren Heim zu besuchen (auf dem Foto unten sind wir bei Grosstante Inger). Eigentlich wollten wir länger in Vänersborg bleiben, aber Heidi bekam von dem ewigen Mischwetter dann einfach genug und wollte nach Hause.


Und nun sind wir also wieder zurück. Für Heidi bedeutet das unter anderem schöne Tage im Kindergarten. Gestern ass sie zum ersten Mal seit einem Jahr und acht Monaten wieder Frühstück dort. Ein weiterer Schritt in Richtung Normalität. Ein eigentlich ganz unbedeutendes Detail, das für Heidi eine enorme Bedeutung hat. Sie am Abend vorher ins Bett zu kriegen, war kein Problem. Warten am nächsten Tag grosse Ereignisse, muss man schliesslich in der Nacht vorher ordentlich schlafen, auch wenn an Heidis Bettkante (in ihrem Zimmer, wo sie jetzt wieder schläft) dann noch viele Überlegungen und Fragen besprochen werden mussten.
Als sie gestern zum Kindergarten kam und es wieder Frühstück geben sollte, stellte sie mit Verwunderung fest, dass das Frühstücken von gestern also keine Ausnahme war. Und dann kamen auch gleich die Fragen: Wie wird das dann mit dem Nachmittagsmahl? Darf sie das auch im Kindergarten essen? Vielleicht kann sie sogar mal als erste kommen und als letzte abgeholt werden? Toll, fand sie, das sind ja Dimensionen!
Unsere kleine Fünfjährige erobert also Schritt für Schritt ihr normales Leben zurück. Heidis Definition von normalem Leben ist auf der einen Seite erheiternd und auf der anderen rührend. Keine Chemo und Blutproben mehr, Frühstück im Kindergarten und Baden im Meer bedeutet, dass alles wieder gut ist. So verblüffend einfach. Wir sind so froh, dass sie nicht mit all den schweren Brocken herumlaufen muss, die wir unter den Armen tragen -alles das, was wir über ihre verschlagene Krankheit wissen und nicht zuletzt die Ungewissheit. Wir freuen uns über ihre ahnungslose Zuversicht und hoffen, dass sie diese weit , weit in die Zukunft behalten darf.

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